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Deutsch-amerikanische Beziehungen: Was will man mit Goethe in New York?
Das Goethe-Haus wird nach zehn Jahren wieder renoviert. Es soll ein transatlantischer Treffpunkt in Manhattan werden. Ein Gastbeitrag
Stand:
Klaus-Dieter Lehmann war von 2008 bis 2020 Präsident des Goethe-Instituts.
In New Yorks Fifth Avenue, gegenüber dem Metropolitan Museum, steht zwischen den Hochhäusern ein fünfgeschossiges Gebäude mit hellgrauer Fassade und grünem Kupferdach. Haus 1014 gilt als der reale und symbolische Ort deutsch-amerikanischer Beziehungen in der Nachkriegszeit. Nirgendwo zeigte sich die goldene Zeit des deutsch-amerikanischen Austausches augenfälliger als hier, intellektuell, kulturell und politisch.
Bekannt wurde es als Goethe House. Nun wird das Gebäude renoviert. Die Fertigstellung ist für 2025 vorgesehen. Sieger des Architekturwettbewerbs wurden David Chipperfield Architects. Er wird den Charakter des Gebäudes bewahren, zugleich aber eine Transparenz schaffen, die den öffentlichen Raum und die Lebens- und Arbeitsräume der künftigen Stipendiaten verbindet.
Als erster Bundespräsident standen Theodor Heuss gemeinsam mit dem amerikanischen Botschafter John Jay McCloy Pate für die Gründung. Es begann eine Zeit intensiven Austausches. Film, Theater, Kunst und Literatur wurden durch Ausstellungen, Diskussionen, Vorträge und Programmwochen vermittelt.
Bedeutende Persönlichkeiten aus Politik und Kultur nutzten das Goethe House als bevorzugten Treffpunkt, darunter Susan Sontag, Hannah Arendt, Günter Grass, Uwe Johnson, Jürgen Habermas, Alexander Kluge, Andy Warhol, Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, aus der Politik Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hildegard Hamm-Brücher, Frank-Walter Steinmeier, James Bryant Conant.
Eine große Chance für den Neuanfang
Seit 1923 bewohnte die Stadtvilla der ehemalige US-Botschafter James W. Gerard. Er war Diplomat noch im kaiserlichen Deutschland in Berlin. Es blieb Privathaus bis zum Tod von Mary Gerard. Dann wurde es 1961 von der Bundesrepublik Deutschland erworben und als Goethe House betrieben, zunächst als amerikanische Non-Profit-Organisation und ab 1969 als Institut im weltweiten Netz der Goethe-Institute.
Es war eine große Chance für einen Neuanfang der Beziehungen zwischen USA und dem neuen demokratischen Deutschland. Es war auch ein wichtiger Ansatz, den großen deutsch-amerikanischen Bevölkerungsanteil New Yorks anzusprechen und besonders die Emigranten, die gezwungen waren, Nazi-Deutschland zu verlassen.
Heute steht man vor verschlossenen Türen. 2009 verließ das Goethe-Institut die vornehme Lage und ging mit seinen Aktivitäten nach Downtown, mitten in die junge Szene, in die Nähe der großen Universitäten, und fand hier ein aufgeschlossenes Publikum. Das geschah nicht ganz freiwillig. Sicherheitsvorschriften und ein notwendig gewordener Sanierungsaufwand erzwangen die vorübergehende Schließung.
Als damaliger Präsident des Goethe-Instituts war ich an der Neuordnung des New Yorker Goethe-Instituts und dem Umzug nach Lower East Side beteiligt. Für mich war die Rückkehr an die Fifth Avenue nach Beendigung der notwendigen Sanierung selbstverständlich, mit einem den Bedürfnissen des Ortes gewandelten Konzeptes.
Das Haus verschwand aus dem öffentlichen Bewusstsein
Statt der zügigen Umsetzung und raschen Sanierung begann aber eine Zeit widersprüchlicher Positionen und thematischer Konflikte über die Zukunft des Stadthauses in der Fifth Avenue. Dieses Spektrum von Auffassungen umfasste unter anderem die mögliche Rückkehr des Goethe-Instituts, eine German Academy New York nach dem Muster der American Academy in Berlin, ein Gästehaus des Auswärtigen Amtes, gar ein Verkauf. Alles war im Gespräch, eine Entscheidung nicht in Sicht, in die Zeit fiel auch der Wechsel der Bundesregierung. Das Haus verschwand aus dem öffentlichen Bewusstsein.
Doch die prägende Wirkung und die Erinnerung an ein halbes Jahrhundert geteilter Werte und gemeinsamer Geschichten waren stärker. Und die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen taten ein Übriges. Der Deutsche Bundestag hat sich 2016 für eine Neubelebung der deutsch-amerikanischen Beziehungen an diesem symbolträchtigen Ort ausgesprochen und die Kosten für die Sanierung des Gebäudes und die Einrichtung einer entsprechenden Organisation bereitgestellt.
Treibende Kraft war Ulla Schmidt, als SPD-Abgeordnete im Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, unterstützt durch Frank-Walter Steinmeier und Henry Kissinger. Für das Goethe-Institut wurde die ursprünglich geplante Zwischenlösung in Downtown Manhattan eine Dauereinrichtung in der Nähe des Union Square.
Ein Meilenstein wird im Oktober erreicht
Die unabhängige gemeinnützige Organisation nach amerikanischem Recht wurde 2017 nach der Hausnummer 1014 unter dem Namen „Tenfourteen – Space for Ideas“ gegründet, geführt von einem deutsch-amerikanischen Board. Das Programm ist ausgerichtet auf Erwartungen des 21. Jahrhunderts. Zielgruppe sind die zukünftigen und heutigen Entscheidungsträger, die Millennials im Alter von 21 bis 45 Jahren. Die Arbeitsfelder betreffen Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Medien. Veranstaltungen, Ausstellungen und ein multidisziplinäres Residenzprogramm bilden die Kernkomponenten. Dazu gehört eine flexible Gestaltung der Programmstruktur und der räumlichen Angebote für Stipendiatenprogramme und öffentliche Präsentationen.
Mit einem Vorprogramm auf dem Weg bis zur endgültigen Eröffnung ist unmittelbar nach der Gründung begonnen worden. Dabei geht es um die Erarbeitung eines eigenen hochkarätigen Profils, dem Aufbau einer Unterstützergruppe und Publikum, der Implementierung eines Partnernetzwerkes in den USA und Deutschland sowie der digitalen Präsenz. Das inhaltliche Vorprogramm präsentiert sich in Diskurs- und Vortragsreihen und Veranstaltungen durch Partnerorganisationen. Bis zu 70 Personen können derzeit im noch nicht renovierten Gebäude Aufnahme finden. So werden Ort und Organisation bekannt gemacht.
Ein Meilenstein wird im Oktober 2021 erreicht. Anlässlich des nächsten Board Meetings werden in der Stadtvilla 1014 die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs gezeigt, als Teil einer umfassenden Ausstellung über Geschichte und Zukunft des Hauses.
Klaus-Dieter Lehmann
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