zum Hauptinhalt

Kultur: "Weiß mordet" - Die Renovierung kostete fast 26 Millionen Mark

Kein Bild hängt mehr am alten Platz. Der Rundgang durch das Frankfurter Städel beginnt nicht mehr mit Tischbeins populärem Goethe-Bildnis von 1786/87, sondern mit dem 20.

Kein Bild hängt mehr am alten Platz. Der Rundgang durch das Frankfurter Städel beginnt nicht mehr mit Tischbeins populärem Goethe-Bildnis von 1786/87, sondern mit dem 20. Jahrhundert: Beckmann, Kirchner, Léger, Picasso, Marc und Lehmbruck begrüßen nun den Eintretenden. Knapp drei Jahre währte die Renovierung des 1874 bis 1878 errichteten und später mehrfach angebauten Hauses: Heizung, Brandschutz und Sicherungssystem wurden erneuert, Umbauten und eine farbige Wandgestaltung folgten. Nachdem im Sommer letzten Jahres die Alten Meister zurückkehrten, sind jetzt 19. und 20. Jahrhundert dran. Damit ist das Städel wieder vollständig zugänglich.

Die Renovierung kostete fast 26 Millionen Mark, die vorwiegend durch Spenden, Patenschaften und Mäzene erbracht wurden; nur eine Million Mark fehlt noch. Erst spät bekannte sich die Stadt Frankfurt zu ihrer Perle unter den Museen - immerhin wird das Städel an vierter Stelle nach Berlin, Dresden und München genannt - und gab vier Millionen Mark dazu. Mit den Renovierungskosten kam das Städel noch gut weg, die Wiederherstellung von Münchens Alter Pinakothek verschlang achtzig Millionen Mark. Parallel zur Renovierung wurde auf der Westseite ein Café-Restaurant eingebaut, zudem wurde einer der beiden Wechselausstellungsräume im Eingangsbereich für eine Buchhandlung umgewidmet. Der andere Saal bleibt der Grafischen Sammlung für Kabinettausstellungen. Doch da nun Platz für große Ausstellungen fehlte, zog man die Gegenwartskunst aus dem angelagerten, zweistöckigen Neubau von Gustav Peichl von 1990 ab und funktionierte ihn zum Ausstellungshaus um.

Die Moderne von Bacon über Yves Klein, Beuys, Calder und Penck bis zu Lüpertz ist nun im Treppenhaus und im angrenzenden Oktogon des Altbaus beheimatet; dreimal im Jahr sollen andere Werke zu sehen sein. Wie sich an diesem Ort die lange vom Städel vernachlässigte Moderne entwickelt, bleibt abzuwarten. Georg Herold, Maria Nordman und Ernst Caramelle wurden mit der Neugestaltung des Foyers betraut, während Valerie Jaudans Bodenmosaik bereits fertig ist.

Im 19. und 20. Jahrhundert sind sogar einige Bilder aus dem Depot gekommen wie Arnold Böcklins "Villa am Meer" (1871-74). Die meisten Bilder indes sind altbekannt, erstrahlen aber in neuem Glanz. Denn viele Werke wurden erstmals restauriert und mit Rahmen aus der jeweiligen Entstehungszeit versehen. Henri Matisses Still-Leben "Fleurs et Céramique" von 1911 hat jetzt einen goldenen Ornamentrahmen. Auch die etwa dreißig Skulpturen kommen besser zur Geltung, da sie sich nun neben Bildern der Zeit befinden: Lehmbrucks "Sitzender Jüngling" von 1916/17 etwa bereichert BeckmannGemälde von 1924 und 1926.

Schlüssig ist auch die neue Raumaufteilung und Bilderfolge, die Durchblicke und Blickachsen ermöglicht. Vom zentralen Raum mit Beckmann, Kirchner, Marc und Picasso geht es links zu Liebermann, Trübner, Thoma und Uhde, rechts dagegen zu den Expressionisten und Corinth. Linker Hand geht es ins 19. Jahrhundert mit deutschen Künstlern über Romantik und Biedermeier bis zum Goethe-Saal, rechter Hand sind die französischen Schulen dokumentiert.

Besonders die farbigen Wände machen den Reiz der neuen Hängung aus. Die Klassiker der Moderne hängen vor hellgrauen Wänden, die anderen Räume sind taubenblau und sienarot. Manches Bild scheint nun, je nach den Lichtverhältnissen, etwas blass zu wirken oder zu stark aufzutrumpfen. Doch eine farbige Wandgestaltung erfordert Kompromisse. Das wusste schon Museumsmann Ludwig Justi, der 1904/05 nur kurz am Städel weilte, damals Liebermann und Monet vor goldgelbem Stoff hängte und die Niederländer auf grünem Plüsch platzierte. Vor neutralem Hintergrund indes warnte er kurz und bündig: "Weiß mordet".

Zur Startseite