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Rolando Villazón

© dpa

Rolando Villazón: Welt als Wille

Rolando Villazón ist nicht nur Sänger, sondern auch begnadeter Entertainer. Jetzt ist er in der Berliner Philharmonie mit Konzertarien von Mozart aufgetreten.

Das Phänomen Rolando Villazón hat (mindestens) zwei Ebenen. Da ist zum einen das Gesicht, natürlich. Der Mexikaner ist ein begnadeter Spieler. Sich wie andere Sänger in heiligem Ernst auf die Darstellung zu konzentrieren, das kann er nicht, das will er nicht. Ständig ist die Mimik in Bewegung, passiert irgendetwas, tänzelt die Augenbraue, zuckt der Mundwinkel. Dafür lieben ihn seine Verehrer. Auf der anderen Ebene, dem Gesang, hat Villazón bekanntlich vor einiger Zeit Stimmkrise und Operation durchgemacht. Jetzt tourt er mit dem Kammerorchester Basel durch Europa, um seine neue CD mit unbekannten Konzertarien von Mozart zu promoten. Gelegenheit zu überprüfen, wie es um seine Stimme steht.

Beim Auftritt in der Philharmonie wird schnell klar: nicht gut. Villazón konzentriert seine ganze Kraft mit baritonalem Timbre (hat er früher auch schon so tief gesungen?) in der Mittellage, die dadurch froschig klingt, in die Höhe aber quält er sich hinauf. Dort beginnt die Stimme zu schlottern und wird spinös, das Gesicht zur Grimasse entstellt. Ja, sein Atem, sein Gestaltungsvermögen überzeugen nach wie vor, in den besten Momenten singt er mit warmem Klangstrom. Dann aber presst er wieder einzelne Phrasen impulsiv heraus, am Ende scheint das hohe Register völlig zu fehlen, so dass man sich fragt, wie lange diese krankmachende Gesangstechnik noch gut gehen kann. Der Abend, ein ständiges Bangen und Barmen um die Stimme – schön ist das nicht.

Die Musiker aus Basel spielen im Stehen ohne Dirigent (Konzertmeister: Florian Donderer), historisch versiert, mit schlankem, trockenem Klang, vibratoarm. Die drei Sätze von Mozarts Prager Symphonie werden nicht als Ganzes aufgeführt, sondern jeweils mit einem Auftritt Villazóns verschränkt – laut Programmheft war das im 18. Jahrhundert gängige Praxis. Bei aller rhythmischen Brillanz und Wendigkeit des Orchesters fehlt aber eine entscheidende Dimension: die des Gefühls. Wirklich emotional berühren vermag diese Musik nicht, sie lässt einen kalt. Sollte die etwas bürokratische Spielweise am Ende Absicht sein, damit Villazón umso mehr glänzen kann? 

Es steckt zu viel angestrengtes Wollen in diesem Abend, um dem Klang Raum zur Entfaltung zu geben. Jeder will irgendetwas zeigen: Villazón, dass er es noch drauf hat, die Fans im Publikum, dass sie ihm in Treue verbunden sind (auch Daniel Barenboim, der ihn auch in der kommenden Saison häufig an die Berliner Staatsoper einlädt, ist gekommen), und unverstellte Reklame für die neue CD ist das Ganze, wie schon erwähnt, sowieso. Mit dem Schlussapplaus bricht sich Villazóns Spieltrieb sofort wieder Bahn: Er schnappt sich für die Zugabe einen Stock und watschelt chaplinesk übers Podium, dann zerpflückt er seinen Strauß und wirft einzelne Blumen in die Ränge. Sie werden mit Jubel aufgefangen.

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