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Aynur und ihre Musiker

© Foto: Fabian Schellhorn

Weltmusik: Fulminanter Auftakt mit Aynur

Ein bewegender Abend mit der anatolischen Sängerin Aynur zum Start der neuen Philharmoniker-Konzertreihe „World“ im Kammermusiksaal

Von Tye Maurice Thomas

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„World“ heißt die neue hauseigene Konzertserie der Stiftung Berliner Philharmoniker, in der nicht-klassische, in der Volksmusik wurzelnde Musik zu hören ist. Musik, die im Konzertleben oft ein Nischendasein fristet, erhält so die gebührende Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Bis einschließlich Mai nächsten Jahres treten der südafrikanische Cellist Abel Selaocoe, der iranische Schlagwerker und Dichter Djamchid Chemirani und die portugiesische Fadosängerin Carminho im Kammermusiksaal auf.

Für einen fulminanten Auftakt sorgt am Dienstag die Sängerin Aynur, eine der prominentesten kurdischen Stimmen. Es ist ein Abend, bei dem Stillsitzen unmöglich ist. Fernab von Folklore kombiniert Aynur – begleitet von einer Band aus sechs internationalen Musikern – Elemente des Jazz mit Liedern ihrer ostanatolischen Heimat.

Zahlreiche Besucher singen mit

Elegischer Klagegesang und reich verzierte Tremoli wechseln sich ab mit feurigen Scat-Passagen. Leicht vorgeneigt streift Aynur über die Bühne, nimmt mal zu diesem, mal zu jenem Musiker Kontakt auf. So entstehen spontane Jam-Sessions von Stimme und Saxofon, Schlagzeug und Kontrabass, einmal sogar ein faszinierendes Duett, in dem Aynurs rhythmischer Zungenschlag mit dem Diskant des Klaviers verschmilzt. Aber ihr Hauptaugenmerk gilt dem Publikum, das während des zweistündigen Abends an ihren Lippen hängt. Zahlreiche Kurd:innen sind im fast ausverkauften Saal anwesend, begleiten sie mit Handgesten und Freudentrillern und singen so manches Lied mit.

Schon das Singen der kurdischen Sprache ist dabei implizit politisch. Lange war sie in der Türkei verboten und gilt dort weiterhin als Fremdsprache. Als Aynur, nur von der Saz begleitet, ein leises Lied den iranischen Demonstrierenden und besonders der Kurdin Mahsa Amini widmet, ertönt aus dem Publikum ein Sprechchor: „Jin, Jiyan, Azadi“ – „Frauen, Leben, Freiheit“.

Leider wird die Sprachbarriere mangels Übertiteln, Moderation oder informativem Programmheft nicht überwunden. Hoffentlich ändert sich das im Laufe der Reihe, um ihrem verbindenden Anspruch gerecht zu werden. Der überwältigenden Emotionalität des Abends tut das aber dank Aynurs Virtuosität und Charisma keinen Abbruch. Bei der Zugabe werden Standing Ovations zu spontanen Reihentänzen.

Nächste „World“-Termine: 8. November, 23. März und 9. Mai 2023.

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