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Wet Leg live at Way Out West 2025 Gothenburg, Sweden. 08th, August 2025. The British indie rock band Wet Leg performs a live concert during the Swedish music festival Way Out West 2025 in Gothenburg. Here singer and musician Rhian Teasdale is seen live on stage. Sweden, Göteborg PUBLICATIONxNOTxINxDENxNORxFINxBEL Copyright: xGonzalesxPhoto/JoexMillerx

© IMAGO/Gonzales Photo/IMAGO/Gonzales Photo/Joe Miller

Wet Leg spielen ausverkauftes Konzert in Berlin: Wo Strobo und Muskeln miteinander konkurrieren

Die Columbia Halle ist ausverkauft, die Fans angespitzt: Die Band Wet Leg begeistert mit einem knackigem Auftritt und weiblicher Stärke.

Stand:

Wie eine Fata Morgana erscheint Rhian Teasdale aus einer dichten Nebelwand. Ihre Arme sind geflext, sie zeigt ihre Muskeln, schaut herausfordernd in ihr johlendes Publikum. Lange wird nicht gefackelt: Spitze Gitarrenriffs und grungiges Schlagzeug rumpeln los, der Song „catch these fists“ bietet direkt Betriebstemperatur.

Das Publikum weiß noch nicht so recht, ob es das Strobo-Gewitter auf der Bühne mit dem Handy festhalten, sich dem spröden Rhythmus mit ganzem zuckenden Körper hingeben oder direkt einen Moshpit bilden soll. Diese Frage dürfte die altersmäßig sehr gut durchmischten Fans den ganzen Abend lang beschäftigen.

Kein Bock auf Liebe

Im Konzert-Opener singt Teasdale von einer Nacht mit Freunden im Club und nervigen Typen, die ihr zu nahe kommen. Ihre Ansage: „I don’t want your love, I just wanna fight“ – sie möchte keine Liebe, keine dummen Anmachen, sondern kämpfen.

Das Stück war die erste Single-Auskopplung aus dem zweiten Album Wet Legs: „Moisturizer“ wurde Anfang dieses Jahres veröffentlicht. Mit ihm präsentierte sich das ehemalige Duo, bestehend aus erwähnter Teasdale und Hester Chambers, als fünfköpfige Band.

Es markierte eine Weiterentwicklung der Truppe: Hatten vorher Teasdale und Chambers sich das Rampenlicht geteilt, war nun Rhian Teasdale unverkennbar zur Frontfrau geworden. In einem Interview wurde erklärt, dass Chambers weiterhin als Songwriterin und nicht minder wichtiges Mitglied Wet Legs agiert, aber auf eigenen Wunsch gerne mehr in den Hintergrund treten würde.

Tut sie auch: Die meiste Zeit auf der Bühne versteckt sie sich hinter einem Vorhang aus blonden Strähnen und ihrer Gitarre. Sowieso könnte man aus dem vielen langen Haupthaar der Band vermutlich die Isle Of Wight umranden, eine Insel an der Südküste Englands. Dort sind die Bandmitglieder Wet Legs aufgewachsen, von hier aus starteten Teasdale und Chambers 2021 eine kleine Rock-Revolution: Da veröffentlichten sie den Song „Chaise Lounge“.

Frischer Wind im Rock

Die Nummer wurde ein Hit und wischte feucht durch im gitarrenlastigen Musikgenre. Es waren einerseits die zwei gelangweilt-coolen Frauenstimmen, die laut des Songtextes Muffins buttern (ein Augenzwinkern zum kult-gewordenen Highschool-Film „Mean Girls“) und eine Chaise Lounge dazu nutzen wollen, sich mit jemandem in die gemeinsame Horizontale zu begeben. Lauwarmes Bier wurde auch angeboten. Es ist und war alles herrlich seltsam.

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Andererseits hatte man die Stromgitarren und zackigen Riffs, Wiedergeburten des Punk und Grunge der 90er, vermisst und selten in so unverbrauchter Frische gehört. Wet Leg standen urplötzlich für herausfordernden und frechen Rock, neu und naiv und gleichzeitig völlig erhaben. Es gab ausverkaufte Touren, bejubelte Festivalauftritte und 2022 das selbstbetitelte Debütalbum. Die Hype-Welle um die zwei jungen Frauen rollte.

Und wie das ist, mit Hypes: Erst werden sie ausgerufen und danach darauf gewartet, dass sie sich in Luft auflösen. Wet Leg haben mit ihrem zweiten Album aber bewiesen, dass sie ab jetzt eher mehr Platz als weniger einnehmen werden. „Moisturizer“ wurde von Fans und Kritikerinnen gefeiert, das Songwriting habe sich weiterentwickelt und die Essenz des Sounds beibehalten, hieß es, und soeben für drei Grammys nominiert.

Schlagkraft und zackige 75 Minuten

Ob Wet Leg dank dieser Nominierungs-News besonders gute Laune hatten beim Berlin-Konzert, ist nicht so richtig auszumachen. Bis auf vereinzelte und austauschbare Ansagen ans Publikum, „gehts allen gut?“, „wir lieben Berlin!“, wurde wenig mit dem Publikum gesprochen.

Präsenz kann ja aber auch durch ungebremste Spielfreude demonstriert werden. An die eingangs erwähnte Pumper- und Kampfhymne knüpft die Band jedenfalls atemlos an. Das energetische „Oh No“, das erigierte „pillow talk“ oder das gefährlich brodelnde „CPR“ forderten nicht nur die Strobo-Anlagen, sondern auch die Nacken der Fans heraus.

Rhian Teasdale bei einem Konzert in Gothenburg in Schweden, dieses Jahr im August.

© IMAGO/Gonzales Photo/IMAGO/Gonzales Photo/Joe Miller

Erlöst wurde man zwischendurch dank harmloserer Schunkler wie „Supermarket“ oder „Jennifer’s Body“, geschlossen wurde mit „mangout“, einem fast süßlichen Popsong. So zackig, wie das Konzert anfing, so zackig war es nach guten 75 Minuten vorbei. Auch hier wurde nicht lange gefackelt: kein Abschied, keine Zugabe. Kaum hatte man die pulsierende Energie verstanden, die von der Bühne aus über einen hereinbrach, wurde selbige auch schon geräumt und Avril Lavignes Oldie-Ballade „I’m With You“ vom Band gespielt.

Alles andere wäre vielleicht aber auch unpassend gewesen: Wet Leg sind nun mal die coolen Kids vom Schulhof. Rhian Teasdale hat nicht nur Muskeln – in einem Interview sagte sie, dass sie zwischen den Alben mit einem Personal Trainer an ihrer körperlichen Stärke gearbeitet habe –, sondern auch Attitüde.

Sie kann mit gerecktem Kinn über die Fans hinwegschauen, auf ihrer grün leuchtenden E-Gitarre ihre Saiten malträtieren oder sich wie ein wildes Tier über die Bühne bewegen und demonstriert bei all dem unentwegt weibliche Unerschrockenheit. Diese ist gleichzeitig faszinierend und beängstigend – und braucht keinerlei weitere Worte.

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