zum Hauptinhalt

Sonntagsfrage: Wie wirkt die Rückkehr zum "Sie"?

Wirkt das nicht total komisch und künstlich, wenn man nach langem Duzen zum "Sie" zurückkehrt, weil man sich über den anderen geärgert hat? Gibt es nicht andere, plausiblere Methoden, auf Distanz zu gehen und zu signalisieren, dass die Beziehung weit entfernt von allem Freundschaftlichen ist? Elisabeth Binder antwortet.

Die Reaktionen auf die vor zwei Wochen hier behandelte Frage, ob man überhaupt zum "Sie" zurückkehren kann, zeigen, dass man damit gute Erfahrungen machen kann. Es muss auch gar nicht gekünstelt wirken. Eine Leserin beschreibt, wie sie nach vierjährigem Scheidungskrieg ihren Ex-Mann sofort nach der separaten Rückkehr vom Gericht in die noch gemeinsame Wohnung mit "Sie" angesprochen hat. Nie zuvor hatte sie ihn gesiezt, er war ein Jugendfreund: „Er sah sich um, ob es noch jemand anderes im Flur gäbe.“ Für diese Frau war das „Sie“ ein Akt der Befreiung, der Aufbruch in ein selbst bestimmtes Leben ohne sinnlose Einschränkungen.

Eine andere Leserin beschreibt, wie sie einem SPD-Politiker das „Du“ entzogen hat, dem in dieser Partei eine besondere Bedeutung beikommt. Nach viel Streit sei sie selber überrascht gewesen, dass dies den damaligen Chef endlich mal erreicht hat. „Wir redeten per ,Sie’ wieder viel sachlicher miteinander, das hat uns beiden sehr gut getan.“

Beflügelt von dieser positiven Erfahrung hat sie das später noch mal gewagt, als ein Kollege sie wegen vermeintlichen Fehlverhaltens beim Chef anschwärzte, ohne sie selber vorher mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Wieder sei die Rückkehr zum „Sie“ ein Befreiungsschlag gewesen, zumal der Kollege auch sehr betroffen gewesen sei. Bald danach sei das Arbeitsverhältnis wieder gut gewesen, man sei aber beim „Sie“ geblieben.

Mit der Rückkehr zum „Sie“ kann man also gut durch eine extradicke Haut dringen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite