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KUNST Stücke: Wieder sehen

Thea Herold geht ihren eigenen Erinnerungen nach

Der Umzug ist geschafft. Seit gestern arbeitet die Galerie Birgit Ostermeier an neuer Adresse im alten Revier. Zu sehen ist die erste Einzelausstellung von Roman Lipski (Brunnenstr. 10, 1. HH., bis 16. Februar) mit fünf unbetitelten Bildern, und ganz unvermutet stellt sich ein mentales Wiedersehen ein: Ein Horizont sinkt nieder. Der Himmel ist grün wie kurz vorm Gewitter. Ein Wald, so groß wie stolz. Ein Weg, der nach anderwärts führt. Melancholische Mauerstücke, einsame Fassaden, verlorene Mauern, spiegelnde Nässe am Boden, zum Schritteversinken. Und kein Mensch, nirgends. Aber sie waren wohl hier. Wenn Lipskis Bilder aus der Erinnerung zur Poesie werden, sich in Farbe verdichten und die Formen auflösen, werden sie unausweichlich. Sinnlich, komponiert und mit klaren Balancen. Trotz der Wechsel zwischen realem Sujet und surrealer Verarbeitung, gerade durch Lipskis höchst eigenwilligen Gebrauch der Pigmente beim Lasieren und seinen völligen Verzicht auf die Farbe Schwarz. Vor allem bleibt das Flirren pointillistischer Flächen sein Geheimnis. Lipski glaubt, dass man „ fast alles in kleinen Punkten erzählen kann. Ich erlebe etwas, erinnere mich, lasse mich beeindrucken. Ich muss beeindruckt sein!“ Und wir sind es auch.

Der Alexanderplatz in Berlin ist eine Baustelle. Ewiger Spielplatz für Duplo-Didaktiker, auch und gerade in der DDR. Der Bauingenieur Heinz Lieber (1919-1989) arbeitete dort Anfang der siebziger Jahre. Er sah das Wachsen von Fernsehturm, Centrum-Warenhaus, Interhotel und dem Haus des Reisens. Oft vom Gerüst aus, manchmal vom Kran. Und er fotografierte. Geriffeltes Paketband hielt die Bilder auf der Rückwand zusammen. Sechs Motive fügte er, penibel auf die Übergänge achtend, so zusammen, dass aus den ORWO-Filmen faszinierende Panoramabilder wurden. Seinen rätselhaften Nachlass heute in der Galerie Berinson zu sehen, gleicht einer kleine Neuentdeckung urbaner Zeitlichkeit (Auguststr. 22, bis 16. Februar)

Thea Herold

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