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Das glänzende „Summer House“ von Barkow Leibinger soll zum Ende des Sommers abgebaut werden.

© Harry Schnitger

Skulpturenpark im Haus am Waldsee: Wiedereröffnet mit Märchenfiguren und Bühne

Das Haus am Waldsee lädt in seinen frisch sanierten Skulpturenpark ein. Die neue Leiterin Anna Gritz möchte den Garten künftig intensiver nutzen.

Die beiden Gesellen haben schwer zu tragen an ihrem geschulterten Gepäck aus vergangenen Tagen. Nichtsdestotrotz stapfen sie unbeirrbar voran in ausgelatschten Schuhen, eine Pfeife im Mundwinkel: Der in Bronze gegossene Zottelfellbär „Orso“ und sein wölfischer Kumpan „Lupo“ sehen aus wie aus Urgroßmutters Märchenbuch entsprungen.

Anna Gritz hat das Skulpturenduo des Berliner Künstlers Peter Wächtler links und rechts auf der Freitreppe zum frisch sanierten Garten platziert. Dieser jüngste Neuzugang im Skulpturenpark des Hauses am Waldsee setzt eine Duftmarke, mit hintergründig erzählerischem Potenzial, changierend zwischen Melancholie und Heiterkeit. Besucherkinder werden die zottigen Kerle aus dem imaginierten Tierreich lieben. Auf zu neue Zeiten also!

Perfekt und geleckt – das dürfte sich bald ändern

Erst jüngst hat Anna Gritz, die im Juni die Leitung des ältesten Berliner Ausstellungshauses für Gegenwartskunst antrat und zuvor sechs Jahre lang als Kuratorin am Berliner KW Institute for Contemporary Art arbeitete, den denkmalgeschützten Park wiedereröffnet. Noch sieht es hier allzu perfekt und geleckt aus. Aber das dürfte sich bald ändern. Gartenkunst ist Wandel, naturgemäß.

Sechs Monate lang blieb das Publikum ausgesperrt, bis die nachgesäten Grashalme kräftig genug waren. Jetzt leuchtet das Wiesengrün, bilderbuchmäßig. Ein Landschaftsgarten englischen Stils breitet sich zu Füßen der 1922 errichteten Fabrikantenvilla auf 10 000 Quadratmetern bis zum Seeufer aus. Nachdem das Haus vor einigen Jahren gründlich instandgesetzt wurde, war nun der Garten dran, ebenfalls finanziert aus Lottomitteln.

Archivrecherchen und Sondierungsgrabungen auf dem Grundstück förderten wenig Belastbares über die ursprüngliche Gestaltung, etwa die Wegeführung, zutage, wie der Berliner Landschaftsarchitekt Georg v. Gayl mit gleichnamigem Architekturbüro erzählt. Klar ist, schon damals in den Zwanzigerjahren war dieser Villengarten hoffnungslos altmodisch, genau wie das behäbige Landhaus ja auch. Keine Spur modernen Bauens, wie es wenig später mit der nahen Siedlung Onkel Toms Hütte von Bruno Taut, zugeschnitten auf schmalere Geldbeutel, hier im Südwesten Einzug hielt.

Ein Pfad führt durchs schattige Wäldchen

Dieser weitläufige Villengarten hat andere Qualitäten. Einladend fällt das Terrain sanft zum See hin ab, unwiderstehlich zum Flanieren. Die Sichtachse von der Café-Terrasse vor dem wiederaufgebauten Seitenflügel, der früher die Garage beherbergte, liegt wieder frei. Überhaupt wurde, so Geyl, viel Wildwuchs entfernt. Aber welchen Weg nehmen? Gleich hinunter zum Ufer, quer über die Wiese? Erlaubt wäre es. Doch rechterhand lockt ein geschwungener Pfad durchs schattige Wäldchen, den gab es vorher noch nicht. Über hundert Jahre alt sind die riesigen Eichen, Kiefern, Ahornbäume.

Die enorme Vielfalt an Pflanzenarten bei der denkmalgerechten Wiederherstellung noch zu erweitern, war auch im Sinne der Biodiversität und Resilienz gegen Trockenstress wichtig. 8000 Stück Wildstauden, wie Farnkraut und Storchenschnabel, wurden allein in schattiger Ufernähe in den Boden gesetzt. Noch ist davon wenig zu erkennen. In Hausnähe schaffen Blumenrabatten mit rosa Phlox, weißen Glockenblumen und gelben Taglilien Farbtupfer; hier wird durchgeblüht vom Frühjahr bis zum Herbst.

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Der Clou aber ist die dezent eingebundene Freilichtbühne. Dass es sie überhaupt wieder gibt, entdeckt man erst im Rückblick vom Seeufer aus. Vier halbrunde Rasenbänke schmiegen sich in den Hang. Vom Haus aus sind diese Geländestufen komplett unsichtbar: ein gartengestalterischer Taschenspielertrick.

Kirsty Bell erkundet den Garten schreibend

Seit 1945 wurde hier im Garten des Ausstellungshauses Theater gespielt und konzertiert. Und genau da will Anna Gritz wieder ansetzen. Der Begriff Skulpturenpark greift ihr zu kurz, wie sie beim Gartenspaziergang betont. Alle Formen von Kunst, gern auch performative, sollen hier einen Raum für Ideenfindung, Entwicklung, Entfaltung bekommen. Auch ganz jungen KünstlerInnen will sie die Chance für großräumiges Arbeiten geben.

Gleich zum Eröffnungsfest lud Gritz die amerikanische Schriftstellerin Kirsty Bell ein, den Garten schreibend zu erkunden und auch längerfristig prozesshaft damit in Austausch zu treten. Vielleicht könnten sogar Pflanzen aus ihren Texten den Weg in den realen Garten finden?

Gritz will für vieles offen sein. Sie reibt sich an der klassischen Schönheit ihres denkmalgeschützten Idylls. Tatsächlich ist so ein „natürlicher“ englischer Landschaftspark mit seinen geschwungenen Wegen und asymmetrischen Baumgruppen ein komplett künstliches Konstrukt: aus den Idealbildern der Landschaftsmalerei entwickelte sich diese Form der Gartengestaltung im 18. und 19. Jahrhundert. Selbst der lauschige „Waldsee“ wurde einst künstlich angelegt, um das sumpfige Terrain zu entwässern.

Hightech im natürlichen Gewand

Die aktuelle Wiederherstellung setzt noch eins drauf an Künstlichkeit. Allerdings unsichtbar. Unter der Grasnarbe versteckt sich ein vollflächig eingebrachtes Bewässerungssystem, das die Rasenwurzeln direkt mit Feuchtigkeit versorgt. Allenthalben wurden jede Menge unsichtbarer Kabel verlegt, um die nötigen Voltstärken für Scheinwerfer oder anderes Veranstaltungsequipment vorzuhalten. Auch für WLAN ist gesorgt. Ein Hightechgarten im Gewand der perfekten Natürlichkeit.

Für Anna Gritz ist er vor allem eine Spielwiese für kuratorische Ideen. Sie will das Haus verstärkt vom Garten her denken, das Ephemere zum Prinzip machen. Die edelstahlblitzende Großskulptur „Summer House“ des Architektenduos Barkow Leibinger, die seit deren Retrospektive 2010 ein Lieblingsort vieler Besucher im Garten ist, wird zum Jahresende verschwinden. Ob anderes, wie der im Unterholz verborgene „Jagdschutzholzstapel“ von Francis Zeischegg bleibt?

[Haus am Waldsee, Ausstellung, Skulpturenpark und Café: Di bis So, 11 – 18 Uhr]

Man wird sehen. Ihre erste eigene Ausstellung widmet Anne Gritz ab September der 1981 in Los Angeles geborenen Wahlberlinerin Leila Hekmat: „Sie ist eigentlich Performancekünstlerin“, sagt Gritz. Im vergangenen Jahr war Hekmats überdrehtes Bühnenpersonal in der Ausstellung „A fire in my belly“ in der Julia Stoschek Collection in einer Videoinstallation zu erleben.

Das Haus am Waldsee will sie in ein von Nonnen geführtes Sanatorium für Frauen mit panoptikumsartigen Behandlungsräumen verwandeln. Auch einzelne Stationen im Garten soll es geben. Kunst kann heilsam sein. Oder pieksen.

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