Das politische Amerika wäre ohne die Familien Kennedy oder Bush kaum denkbar, das musikalische Deutschland ohne die Wagners und Mendelssohns schon gar nicht. Wer sich die Feinverzweigungen dieser Clans anschaut, begreift erst, wie wichtig die bürgerliche Keimzelle „Familie“ für Staat und Gesellschaft ist; von hier aus erwächst beiden ein Zugewinn, den einzufordern unmöglich wäre.
Die Mendelssohns haben das Deutschland des 19. Jahrhunderts unendlich bereichert. In der Jägerstraße 51, in der Remise des ehemaligen Stammhauses der Mendelssohn-Bank, ist nun eine Ausstellung zu sehen, die Aufstieg und Zerstörung der berühmten Berliner Familie dokumentiert. 1729 wurde der Schriftsteller und Philosoph Moses Mendelssohn geboren, der mit seiner Frau Fromet, geborene Guggenheim , sechs Kinder bekam und später Großvater von Fanny und Felix wurde, den berühmtesten Musikern der Familie. Deren Vater Abraham stellt nun der Journalist Thomas Lackmann, ein später Nachfahr Moses Mendelssohns, in den Mittelpunkt seines eben erschienenen Buches „Das Glück der Mendelssohns. Geschichte einer deutschen Familie“ (Aufbau-Verlag).
Die Ausstellung in der Jägerstraße nun, in Koproduktion der Jüdischen Gemeinde Berlin mit der Stiftung Preußische Seehandlung entwickelt, ist einfach gehalten. Gipsbüsten von Familienmitgliedern und Gästen der Mendelssohns – darunter Clara Schumann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Alexander von Humboldt – beleben das Innere des schmucklosen Ziegelgewölbes.
An einer winzigen Computer-Station kann man Kompositionen von Felix, seiner Schwester Fanny und ihrem Cousin Arnold lauschen und sich anhören, wie die späten Nachkommen, etwa der 2004 verstorbene Pianist Robert-Alexander Bohnke, zur Geschichte der eigenen Familie standen. Nicht ohne schmerzlichen Unterton erzählt Bohnke, dass im Jüdischen Museum Berlin die Taufschale der Mendelssohns aufbewahrt werde, mit der Gravur der jeweiligen Namen. Als Kind habe er nicht gewusst, dass „das eine jüdische Familie ist“. Sein Namensvetter Alexander Mendelssohn (1798 – 1871) war der letzte Mendelssohn-Bankier jüdischen Glaubens.
Tafeln an den Wänden widmen sich der Darstellung der Jägerstraße im 19. Jahrhundert. Hier wird an den Umzug des 1795 gegründeten Bankhauses der Brüder Joseph und Abraham Mendelssohn im Jahr 1815 erinnert, die Rolle als Mäzenaten und Kunstsammler beleuchtet und das Familienemblem erklärt, der Kranich. Als Franz Mendelssohn 1888 durch Kaiser Friedrich III. geadelt wurde, nahm er den auf einem Bein stehenden Vogel in sein Wappen mit auf: Der Kranich, der immer wach bleiben muss, damit der Stein, den er in der angezogenen Kralle hält, nicht herunterfällt.
Auf einem Notenpult liegen laminierte Kopien der Liste des 1940 beschlagnahmten Eigentums von Marie Busch, Tochter des Bankiers Ernst von Mendelssohn- Bartholdy. Im Jahr 1938 war das Bankhaus der Mendelssohns vor die Alternative gestellt worden, sich „arisieren“ zu lassen oder in die Liquidation zu gehen. Der Seniorchef Rudolf Löb verhandelte seinerzeit mit der Deutschen Bank. Das Unternehmen wurde liquidiert, die Häuser verkauft. Die Mendelssohns emigrierten und zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück.
Jägerstraße 51, Donnerstag bis Dienstag, 12 bis 19 Uhr, Eintritt frei