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Die New Yorker Galerie Lévy Gorvy Dayan zeigt ein monumentales Werk des Pop-Art-Künstlers James Rosenquist.

© Art Basel

Alles auf Rot: Die Art Basel bietet Teures und Großes

Die älteste Messe des Art-Basel-Imperiums gibt sich selbstbewusst wie immer und meldet gute Verkäufe. Ein bisschen Veränderung steht aber doch an.

Von Jens Müller

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Alle Jahre wieder kommt, ein halbes Jahr nach dem Christuskind, die Königin unter den Kunstmessen auf die Stadt Basel nieder, wo wir Menschen entweder Sammler oder Galeristen oder Museumsdirektoren (oder Journalisten) sind. Zumindest während der ersten zwei von sechs Messetagen der Art Basel, an denen das breite Publikum ausgesperrt bleibt und das danach auch immerhin 68 Franken Eintritt bezahlen muss, einen Franken mehr als im vergangenen Jahr und deutlich mehr als in jedem Schweizer Museum.

Dafür bekommt es dann aber mehr Kunstwerke zu sehen, als in sämtlichen Museumsausstellungen in Europa in einem Jahr gezeigt werden. Und es braucht sich auch nicht zu grämen ob des Gedränges, das jede museale Blockbuster-Schau wie eine Bahnhofshalle während der Covid-Pandemie aussehen lässt. Am Dienstag, dem ersten eigentlichen Messetag, an dem zuerst die VIPs erster und später, am Nachmittag, die VIPs zweiter Klasse in die Halle mit ihren aktuell 286 Messeständen vordringen dürfen, herrscht kein bisschen weniger Gedränge. Nur sind die Füße, auf die sie einander treten, vielleicht etwas kostspieliger beschuht.

Verjüngen und verbreitern

Man muss schon ein bisschen achtgeben, der Exzentrik, die hier zur Schau getragen wird, nicht gelegentlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken als der spektakulären Kunst, um die es doch gehen soll. Der Mann mit der roten Birkin Bag über der Schulter ist da noch einer der diskreteren Fälle. Bestimmt aber einer, der der Messeleitung gefällt. Es fällt nämlich schon auf, wenn CEO Noah Horowitz ebenso wie die neue Direktorin der Art Basel in Basel, die dem Berliner Kunstbetrieb gewissermaßen abgeworbene Maike Cruse, die exakt gleiche Formulierung verwenden, um ihren Anspruch kundzutun: „To rejuvenate and diversify our show.“

Verjüngung und Diversifizierung, das scheint notwendig, nachdem der jüngste „Art Basel and UBS Global Art Market Report“ eine vierprozentige Schrumpfung des Kunstmarktes konstatiert hat. Die angepeilte jüngere Klientel soll umworben werden mit einem neuen, von Sarah Andelman, der Gründerin des legendären Concept Stores „Colette“ in Paris, verantworteten Messeshop. Und mit einem neuen Konzept von Stefanie Hessler für den Parcours. In den vergangenen Jahren in der puppenstubenschönen Altstadt zu Hause, ist dieser öffentliche (und kostenlose) Part der Messe diesmal auf die sogenannte Kleinbasler Rheinseite umgezogen, in die Clarastraße: eine eher unglamouröse Geschäftsstraße mit den typischen Problemen, die der innerstädtische Einzelhandel heute hat, Leerstand inbegriffen.

Knapp sechs Meter misst die Skulptur „Vertical Highways“ der Berliner Künstlerin Bettina Pousttchi in der Sektion „Unlimited“ der Messe (Galerie Buchmann)

© Art Basel

Das mit der Neuausrichtung des Parcours einhergehende gewisse Berlin-Biennale-Feeling passt gut zum Einstand von Maike Cruse, die als Neuzugang für die Statements-Sektion (für Soloprojekte) die Berliner Galerie Nome mitgebracht hat. Nicht, dass sie dem ausschließlich aus Galeristen rekrutierten Auswahlkomitee angehörte, in dem mit Jochen Meyer nur noch ein in Berlin ansässiger Galerist vertreten ist. Das war schon einmal anders.

Im Bauch der Freiheitsstatue

Die Berliner in Basel: Nachdem sie Rikrit Tiravanijas Piratenflaggen prominent über der Mittleren Rheinbrücke hissen konnten, versteht es sich, dass die Galerie Neugerriemschneider ein entsprechendes Motiv auch als Flachware in der Messekoje anbieten. Quasi ein kleiner Prolog zur anstehenden Retrospektive der Berliner Schaffensphase des Künstlers im Gropius Bau.

Das schönste Lächeln hatte Mehdi Chouakri auf dem Gesicht, sichtlich stolz darauf, Saâdane Afifs Modell des Innenlebens der New Yorker Freiheitsstatue für 42.000 Euro an „die Bundesrepublik Deutschland“ verkauft zu haben. Bei Eigen + Art zeigt Judy Lübke, wie in jedem Jahr, Großformatiges von Neo Rauch, um den Besuchern gleich daneben, gewissermaßen im Windschatten des Großkünstlers, in Petersburger Hängung arrangierte Malerei in verschiedener Technik und auf unterschiedlichen Untergründen der weit weniger bekannten Ulrike Theusner (Preise: 3500-28.000 Euro) ans Herz zu legen. Dass es sich bei der vor dem Rauch-Großformat stehenden Skulptur (10er-Auflage, 120.000 Euro) um eine von nur drei von dem Maler Rauch überhaupt jemals angefertigten Skulpturen handelt, erklärt er dann doch noch.

Sonnenblumen für 20 Millionen Dollar

Eine großartige Wiederentdeckung mit großem Unterhaltungswert sind bei Tanya Leighton die feministisch motivierten Tableaus der 2020 verstorbenen und weitgehend vergessenen Marianne Wex mit vergleichenden Studien weiblicher und männlicher Körpersprache. Die neu angefertigten Reproduktionen (Edition von 5) kosten 28.000 Euro – die fragilen Originale hat sich das MoMA gesichert.

Alle diese Galerien haben ihre Kojen im Obergeschoss der Halle 2. Noch kostspieliger geht es im Erdgeschoss zu, wo die Platzhirsche des internationalen Kunsthandels logieren, Gagosian & Co. Wo bei Max Hetzler die Gemälde von Katharina Grosse und Bridget Riley 295.000 Euro respektive 450.000 Euro kosten. Albert Oehlen: „siebenstellig“. Bei Sprüth Magers haben die Frauen mit Rosemarie Trockel, Barbara Kruger, Jenny Holzer, Kara Walker und Anne Imhof einen gewohnt starken Auftritt. Das teuerste Werk am Stand stammt aber von John Baldessari und soll dem Käufer 3,5 Millionen Dollar wert sein. Die Galerie Hauser & Wirth meldet bereits ersten Tag den Verkauf eines Arshile Gorky für 16 Millionen Dollar; David Zwirner den von Joan Mitchells „Sunflowers“ für 20 Millionen Dollar.

Das längste Bild von Keith Haring

Ganz unangefochten ist der Status der Art Basel in Basel nicht mehr, die Pariser Veranstaltung wird in diesem Jahr erstmals unverblümt als Art Basel Paris im frisch renovierten, prächtigen Grand Palais eröffnen. Aus Basel wird die hausinterne Konkurrenz auch mit dem Hinweis auf die weltweite Einzigartigkeit der Monumentalprojekten vorbehaltene Unlimited-Sektion in die Schranken gewiesen.

Hier, in Halle 1, traten sich die VIPs schon am Montag auf die Füße, um den in diesem Jahr ausgetragenen Wettbewerb um das längste Kunstwerk der Schau als erste bestaunen zu dürfen: Ein von Keith Haring 1984 zum Schmuck eines Zauns in New York in seinem typischen Graffiti-Stil entworfener Fries behauptet sich mit 4680 Zentimeter Länge knapp gegen Sam Falls‘ „Spring to Fall“ (4572 Zentimeter) und deutlich gegen Dominique Fungs A Tale of Ancestral Memories (2687 Zentimeter).

Da haben die Besucher Mario Cerolis 365 jeweils vier Meter hohe weiße Friedensflaggen („Progetto per la pace“,1968) bereits passiert, die so programmatisch wie unverbindlich am Anfang des Parcours und damit der Art Basel stehen. Wir sind hier nicht auf der Documenta und werden es auch niemals sein: Direktere und potenziell kontroverse Bezugnahmen etwa auf den Konflikt in Nahost hält die Messe erfolgreich fern.

Dramatischster Zwischenfall bislang: ein Kind, das Wolfgang Laibs akkurat um einen schwarzen Granitstein angeordnete weiße Reis-Häufchen („Brahmanda“, 2016-2022) in Unordnung gebracht hat. Die angestrebte Verjüngung hat eben auch ihre Tücken.

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