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E.T.A. Hoffmann

© imago/imagebroker

Zum 200 Todestag von E.T.A. Hoffmann: Jux und Jubel

Gewitzte Huldigung: Norbert Kron zeigt in seinem Roman "Der Mann, der E.T.A. Hoffmann erfand", dass der Schriftsteller auch ein Genie der Freundschaft war.

Feuer und Flamme sollen ihn retten, die Krankheit möge verdampfen. Als E.T.A. Hoffmann im Sommer 1822 bereits auf dem Sterbebett liegt, wird er noch zum medizinischen Versuchskaninchen. Sein Leiden begann mit taub gewordenen Füßen, inzwischen ist der Schriftsteller vom Hals an abwärts gelähmt.

Dr. Meyer, Leibarzt des preußischen Staatskanzlers, will die „inneren Verrenkungen“ des Patienten mit Hilfe des „Ferrum Cendens“ aufbrechen. „Jetzt schwebte das rothglühende Eisen über ihm, dann stieß der Chirurgus es zischend in sein Rückenfleisch.“ Ins Brutzeln mischt sich der Geruch von Verbranntem. Hoffmann hatte auf Schmerz gehofft. Aber er spürt nichts. Dr. Meyers „Arthrokakologie“ hat versagt. Die Wunden werden später wieder aufbrechen.

Den Braten gerochen

Norbert Kron macht in seinem Roman „Der Mann, der E.T.A. Hoffmann erfand“ aus der Szene ein Kabinettstück von makabrem Witz. Einen Besucher begrüßt der Dichter mit der Frage „Hat Sie der Bratengeruch angelockt, Liebster?“ Es handelt sich um Julius Eduard Hitzig, den Co-Helden des Buchs. Nachdem Hoffmann ihm erzählt hat, dass ihm der Teufel in Gestalt des Ritters Gluck erschienen sei, fordert Hitzig: „Sie müssen schreiben! Die Zeitschriften suchen solch unglaublichen Geschichten.“

Doch vorerst weigert sich der Freund: „Ich werde immer Musiker sein.“ Hat ständig Melodien im Kopf, schreibt eine „Undine“-Oper, wird Kapellmeister in Bamberg. Der „wild wuchernde Ruhm“ erreicht ihn erst ab 1814 in Berlin, mit Erzählungen wie „Der Sandmann“ oder dem Märchen „Der goldne Topf“.

„Das Phantastische ging ihm von der Hand wie im Schlaf“, schreibt Kron. Der Schriftsteller, dessen Romane bislang in der Gegenwart spielten, lässt sich mitreißen, steigt tief hinein in seinen historischen Stoff, erzählt Schnurren, schweift ab. Mitunter betreibt er literarische Mimikry, nicht nur, weil er altertümlich „Scandal“, „Criminalrath“ oder „Litteratur“ buchstabiert.

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Auch Hoffmanns Witz, die Lust an der Karikatur trifft er. Als seine Protagonisten einander erstmals 1804 in Warschau treffen, fühlt Hoffmann sich verfolgt von Hitzig, diesem „Brillenbeutel“, „gepudertem Philisterkopf“ und „Pfeifenwichser“.

Der Brillenbeutel rettet die Situation mit einem Gag auf Kosten eines Kollegen: „Der hält die Schlegels für die Hinterkeulen beim Hahn.“ Gemeint sind die Romantiker Friedrich und August Wilhelm Schlegel. Zu Ehren des letzteren hatte Hitzig mit Chamisso und Fouqué in Berlin den Polarstern-Bund gegründet.

Warschau gehört damals zu Preußen. Hoffmann und Hitzig stehen in Staatsdiensten, wohnen direkt nebeneinander, parlieren abends aus geöffneten Fenstern miteinander. Ihre Arbeit ist tödlich langweilig, sie fürchten zwischen Prozessakten zu vertrocknen. Entlassen werden sie, als Napoleons Truppen einmarschieren und die Polen weiße Kokarden als Zeichen ihrer Nationalität tragen.

Brennende Perücke

So nah stehen die Freunde einander, auch wenn sie getrennt sind, dass Kron ihren Tagesablauf seitenlang parallelisiert. In Berlin kommt es zu einer Katastrophe, als das Nationaltheater auf dem Gendarmen-Markt abbrennt, unmittelbar bevor dort Hoffmanns „Undine“ aufgeführt werden soll. Flammensäulen lodern in den Himmel, ein brennender Gegenstand schwebt über dem Giebel, dreht Kreise. Es ist die Perücke des Hofschauspielers Unzelmann, die bedrohlich Kurs nimmt auf die Staatsbank.

Bis ein Gardejäger das vom Volk begaffte Schauspiel beendet, indem er das Haarteil mit seinem Karabiner abschießt. Hoffmann wohnt in einem Eckhaus nebenan, aus dem Fenster ragt seine Hakennase hervor, in den Augen spiegelt sich die „rothe Gluth“.

[Norbert Kron: Der Mann, der E.T.A. Hoffmann erfand. Roman einer Freundschaft. AphorismA Verlag, Berlin 2022. 224 Seiten, 22 €]

Hitzig heißt ursprünglich Itzig, er legt seinen jüdischen Glauben ab und lässt den neuen Namen registrieren, als er seinen Verlag gründet. Aber das Gefühl, nicht dazuzugehören, wird er nicht los. Hoffmann, ein Champagner-Narr und Freund des Weins, hält Hof bei Lutter & Wegner, wo der Trinkspruch lautet: „Sekt ja! Tugend nein!“. Dort demütigen Hoffmann und der Schauspieler Devrient Hitzig, führen ihn als Shylock-Juden vor. Der Jux entgleist, Zuschauer höhnen: „Er bleibt doch ein Itzig“.

Hitzig ist erschüttert, später entschuldigt sich Hoffmann. Hoffmann war zu einem der meistgelesenen Autoren deutscher Sprache aufgestiegen. Doch nach seinem Tod rät Hitzig der Witwe, das Erbe auszuschlagen. Ihr Ehemann hatte enorme Schulden angehäuft, darunter Trinkschulden bei Lutter & Wegner in Höhe von 1116 Talern. Das entsprach gut zwei Dritteln seines Jahresgehalts als Kammergerichtsrat.

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