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Binette Schroeder in ihrem Münchner Atelier.

© picture alliance / SZ Phot/ Catherina Hess

Zum Tod der Kinderbuchautorin Binette Schroeder: Als das Zebra Zebby um seine Streifen fürchtete

Trost und Tagträumerei: An einem traurigen Tag in Steglitz fielen ihr die ersten Bilder zu „Lupinchen“ ein, ihrer künftigen Heldin

Fast bis zuletzt hat sie noch gezeichnet, denn ihr Kopf war voller Bilder und Geschichten. Für kleine Kinder und für die großen, die noch in jedem jung gebliebenen Erwachsenen stecken. So ist Binette Schroeder zu einer weltweit gefeierten Illustratorin geworden, seit ihr vor über einem halben Jahrhundert beim Tagträumen, damals gerade unglücklich verliebt und also auf Trost sinnend, die Idee zur kleinen Puppe Lupinchen kam.

Auch Lupinchen beginnt melancholisch und endet komisch, die Trauer verschwebt und das heiter Gewitzte überlebt, daran hat die 1939 in Hamburg geborene Künstlerin in all ihren gut zwanzig Büchern, die in ebenso viele Sprachen übersetzt wurden, immer festgehalten.

Am Dienstagnachmittag ist sie in ihrem Haus in Gräfelfing bei München im Alter von 82 Jahren gestorben. Dieses Haus mit großem Atelier und einem wunderbaren Garten, den ihr Mann Peter Nickl, der musische Jurist und literarische Koautor einiger Schroeder-Bände, mit Inspirationen von England bis Japan zu einer eigenen Schöpfung entwickelt hat, gleicht selbst einem Gesamtkunstwerk.

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Binette Schroeders Welten aus märchenhaften Tieren, Pflanzen und spukhaften Wesen durchgeistern auf den nach ihren Entwürfen gebrannten Fliesen in Küche, Bad, Toiletten oder in Stoffmustern der Sofas das ganze Haus: gesäumt von wunderlichen Lampen, die leuchtenden Vögeln ähneln, Malstiften, aus denen Blüten schießen, oder tausend Zeugnissen eines lebenslangen Sammeltriebs, von Meermuscheln bis zu surrealen Objekten.

Seit 2005 können Besucher der Internationalen Jugendbibliothek in der Münchner Blutenburg ein wunderbar gestaltetes Binette-Schroeder-Kabinett besichtigen, für das sie neben eigenen Werken schon große Teile ihrer weltweiten Sammlung von Büchern und Bildern befreundeter Illustratoren und Kolleginnen gestiftet hat. Das geht bis hin zu einer Großvitrine, deren Holzbeine in Schroedersche Pumps münden.

„Lupinchen“ war eine lebende Puppe mit struppigen Haaren

Mit ihrer Mutter, einer späteren Kostümbildnerin, ist die junge Binette im Krieg von Hamburg zu Verwandten ins bayerische Garmisch-Partenkirchen gezogen, nahm nach dem Abitur erst Privatunterricht in München, studierte dann Design in Basel, lebte 1969 bis 1971 in West-Berlin, wo ihr an einem traurigen Tag in Steglitz die ersten Bilder zu „Lupinchen“ einfielen.

Eine lebende Puppe, die schon manche Züge der kindsfraulichen, frech strupphaarigen späteren Schroeder-Heldinnen enthält, und zu deren Gefährten der siebeng’scheite Schachtelmann Klappaufundzu oder ein eierköpfiger Humpty Dumpty gehören. Diese Anspielung auf „Alice im Wunderland“ weist auf Vorbilder, zu denen Schroeder freilich auch Max Ernst, Dalí oder selbst Hieronymus Bosch mit seinen Fabelwesen zählt.

Der Hund Tuffa und das Zebra Zebby wurden Weltkindheitsbestseller

Sie hat außer mit ihrem Mann Peter Nickl gelegentlich mit Michael Ende zusammengearbeitet („Die Schattennähmaschine“) oder Klassiker wie „Die Schöne und das Biest“ oder Münchhausens Abenteuer virtuos illustriert. Daneben sind die Serien des kleinen schwarzen Hundes Tuffa oder des um seine Streifen fürchtenden Zebras Zebby fast ohne Worte zu Weltkindheitsbestsellern geworden.

Künstlerisch vielleicht am kostbarsten und abgründigsten „Krokodil Krokodil“: Da reist ein Tier vom Nil an die Seine und entdeckt, dass ein Pariser Kroko-Laden mit seinesgleichen handelt, worauf in einer so märchenhaften wie realistischen Weise die Rache folgt. Von der ägyptischen Wüste bis zur französischen Stadtlandschaft sind die Gouachen zu Peter Nickls feinen Reimen delikat und zugleich suggestiv, um jedes Lesealter betören.

Herrn Grau hauchte sie Farben ein

Vergangenes Jahr hat sie noch mit ihrer Geschichte von „Frida Fröhlich und Herrn Grau“ dem besagten Mann endlich Farbe eingehaucht. Binette Schroeder war eine Künstlerin von zauberhaftem Humor und eine generöse Gastgeberin. So hatte sie schon vor der Wende durch ihre Freundschaften mit osteuropäischen, russischen, ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern viele Türen geöffnet. Für ein weltoffenes Leben.

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