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Der Maler Gotthard Graubner (1930–2013).

© dpa

Zum Tod von Gotthard Graubner: Felder, Kissen, Räume

Der Maler Gotthard Graubner ist tot. Seine sanft um einen Grundton oszillierende Farbenkammermusik erzeugte er, indem er die Acrylfarben mit Schwämmen direkt auf den Untergrund tupfte. Nachruf auf einen Großmeister der Farbmodulation.

Dass es, wie man gelegentlich in respektvoller Erschütterung sagt, zuletzt still um ihn geworden sei, kann man von Gotthard Graubner eigentlich nicht behaupten. Bis zum Schluss malte und reiste er. Und seine gefeierte Ausstellung „Gespräch mit Josef Albers“ in Westfalen liegt gerade mal anderthalb Jahre zurück. Für den Dialog mit dem „Vater der abstrakten Kunst“ im Josef-Albers-Museum im Quadrat Bottrop entstanden fünf neue Bilder. „Still ist das, lichtleuchtend, sanftmütig, sehnsuchtsvoll mit einem Hauch Melancholie“, jauchzte die Kritikerin Claudia Posca.

Der 1930 in Erlbach im Vogtland geborene Künstler, der stets mit Hut, Krawatte, Anzug und Taschenuhr an die Öffentlichkeit trat, war mehr als ein Maler von Bildern. Statt auf plane Leinwände trug er die Farbe auf eine Perlongewebespannung auf, flache Kissen, die Graubner „Farbkörper“ nannte. Um seine sanft um einen Grundton oszillierende Farbenkammermusik zu erzeugen, verzichtete er auf Pinsel und tupfte Acrylfarben mit Schwämmen auf den Untergrund.

Das Ergebnis tendierte viel eher zur Farbfeldmalerei als zum Informel, dem beherrschenden Malstil der Nachkriegszeit. Graubner gelangen Bilder von einer Farbräumlichkeit, die man – trotz Mark Rothko – dem Medium kaum zugetraut hätte. Wer ein Graubner-Bild nur eine Minute lang betrachtet hat, weiß, wie Farbe im Irgendwo schweben kann. Ohne den Großmeister der Farbmodulation wäre die in den Realraum ausgreifende Malerei einer Katharina Grosse undenkbar. Sie hat, logisch, bei Gotthard Graubner studiert, der von 1976 bis 1992 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf war.

Graubner selbst begann seine Malerausbildung 1947 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, wechselte nach Dresden, verließ 1954 die DDR und ging an die Düsseldorfer Akademie, wo er 1959 abschloss. Bemerkenswert, dass ein ausgesprochen zeitgenössischer Maler wie Graubner sich ausdrücklich in eine Tradition älterer Meister von Grünewald über Tizian und El Greco bis Cézanne stellte.

Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Neue Nationalgalerie bewahren Graubner-Werke, aber auch der Bundespräsident und seine Gäste dürfen sich im Schloss Bellevue an zwei monochromen Riesenformaten im Hauptsaal des Amtssitzes erfreuen.

Von besonderer Bedeutung für das Rheinland ist Gotthard Graubners Freundschaft mit dem 2007 verstorbenen Sammler Karl-Heinrich Müller und das vom Kunstmäzen begründete Museum Insel Hombroich. Der Maler beriet Müller nicht allein beim Aufbau der Sammlung, sondern entwickelte das spezifische Ausstellungskonzept – einen Dialog zwischen traditioneller asiatischer und moderner europäischer Kunst in einer Reihe von Pavillons.

Bis zuletzt wohnte Graubner auch auf der Insel Hombroich. Am 24. Mai ist der weltbekannte Künstler gestorben, kurz vor seinem 83. Geburtstag. Er beobachte das Eigenleben der Farbe, hat der Maler einmal gesagt, „ich respektiere ihre Eigengesetzlichkeit“. Die Farben des Gotthard Graubner werden nicht verklingen.

Jens Hinrichsen

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