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Der frühere RTL-Chef Helmut Thoma auf einem Foto aus dem Jahr 2019.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Zum Tod von Helmut Thoma: RTL war sein Fernsehreich

Er wollte kein besseres Fernsehen, sondern anderes Fernsehen: Helmut Thoma baute RTL aus dem Nichts zum Erfolgssender aus und schrieb damit Mediengeschichte. Ein Nachruf.

Stand:

„Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Nach diesem prägnanten Motto hat Helmut Thoma das Privatfernsehen groß gemacht.

Was ihm da Ende der 1980er-Jahre in Deutschland gelang, lag bei seiner Geburt 1939 in Wien in sehr weiter Ferne. Thoma wuchs ohne Vater auf, absolvierte eine Molkereilehre. Auf dem Abendgymnasium machte er sein Abitur, studierte anschließend Jura und promovierte.

Nach den ersten Arbeitsjahren in verschiedenen Kanzleien ging er 1966 zur Rechtsabteilung des Österreichischen Rundfunks (ORF), die er bis 1973 geleitet hat. Aber die Tätigkeit eines Justiziars war für den quirligen Wiener zu ruhig. Er wechselte zur IPA, der deutschen Werbetochter von RTL, nach Frankfurt am Main, verdoppelte deren Gewinn und beriet den Postminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) bei der Gründung des privaten Rundfunks in Deutschland.

Alleiniger RTL-Chef

Nach IPA und Radio Luxemburg wurde Helmut Thoma 1984 Direktor der deutschen Programme von RTL und RTL plus. Mit dem RTL-Umzug von Luxemburg nach Köln und dem Einstieg von Bertelsmann begann der Aufstieg des Senders, den Thoma seit 1991 als alleiniger Geschäftsführer leitete.

Helmut Thoma hatte jetzt alle Machthebel in seiner Hand. Auf seiner Homepage bezeichnete er sich und seine Karriere später als „One Man Show“.

Thoma wollte nicht das bessere Fernsehen, sondern das andere Fernsehen.

Joachim Huber über den verstorbenen früheren RTL-Chef Helmut Thoma

Zunächst sei RTL ein 25-Mann-Betrieb gewesen, erinnerte sich Thoma. Entsprechend startete das Programm mit schmalem Budget, aber eben mit der Direktive, eine unbedingte Alternative zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein zu müssen. Ob die Ausziehshow „Tutti Frutti“, billigste Lederhosen-Erotik, der Krawalltalk „Der heiße Stuhl“ oder das Magazin „Explosiv“ – RTL suchte stets, Publikumsgeschmäcker zu treffen, die für ARD und ZDF tabu waren. Kritiker übersetzten RTL bald mit „Rammeln, Töten, Lallen“, was Helmut Thoma mehr belustigte, als dass es ihn von seinem Weg abgebracht hätte.

Der Wiener nutzte seine profunde Bildung nicht für einen Bildungsauftrag, kulturtheoretische Überlegungen sollten andere anstellen. Thoma wollte nicht das bessere Fernsehen, sondern das andere Fernsehen und das vor allem mit „Bauchentscheidungen“ erreichen.

Der Sender, später um RTL 2 und Super RTL als Gegengewicht zum Fernsehimperium von Leo Kirch ausgebaut, gedieh prächtig. 1990 bereits in der Gewinnzone, konnte RTL 1992 der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz die Marktführerschaft im deutschen Fernsehen abluchsen und über Jahre behalten.

Mit dem Medienkonzern Bertelsmann an der Seite wurden Bundesligarechte erworben, die Formel 1 mit und dank Michael Schumacher ebenso zum Event wie die Boxnächte mit Henry Maske. Und die Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ läuft heute noch im RTL-Programm.

Fernsehen als „Tapete der Gegenwart“

Helmut Thoma nutzte die gewonnene TV-Macht, um Zuschauermagneten wie Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Hans-Joachim Kulenkampff und Karl Dall unter Vertrag zu nehmen. Auch Moderatorinnen und Moderatoren wie Ulla Kock am Brink, Hella von Sinnen oder Hans Meiser verdanken oder verdankten ihre Popularität dem langjährigen RTL-Chef. Helmut Thoma arbeitete hart an der Umsetzung seiner Prognose, dass das „Fernsehen die Tapete der Gegenwart“ in deutschen Wohnzimmern sein werde.

1998 wurde Helmut Thoma überraschend vom Thron gestoßen. Offenbar glaubte Bertelsmann, mit Gerhard Zeiler, ebenfalls einem Österreicher, eine noch gloriosere Zukunft erreichen zu können. Thoma wurde in den RTL-Beirat abgeschoben, was er nur schwer verwand. Er kritisierte gerne und öffentlich Programmentscheidungen seiner Nachfolger, RTL war und blieb sein „Baby“, ungeachtet aller weiteren Erziehungsberechtigten.

Helmut Thoma war mehrmals verheiratet, auch mit seiner früheren Assistentin Daniele Milbert, von der er sich 1997 trennte und mit der er 2004 wieder zusammengekommen war. Milbert schrieb ein Buch über ihre Ehe: „Mein Leben mit Mr. RTL“.

Am 3. Mai, seinem Geburtstag, ist Helmut Thoma, wie erst jetzt bekannt wurde, in seiner Heimatstadt Wien an Herzversagen gestorben. Er wurde 86 Jahre alt.

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