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Die Diva und die Depressive. Maria (Valeria Bruni Tedeschi, r) und Donatella (Micaela Ramazotti) brechen aus der psychiatrischen Anstalt aus.

© Neue Visionen

Im Kino: "Die Überglücklichen": Zwei flogen über das Kuckucksnest

Valeria Bruni Tedeschi und Micaela Ramazotti sind „Die Überglücklichen“ in Paolo Virzìs verrücktem Roadmovie und italienischem Sittengemälde.

Mit einem Sonnenschirm in der Hand stolziert sie in aristokratischer Manier über das Gehöft, grüßt erhaben die Vorbeigehenden, gibt den Gärtnern ein paar Anweisungen, wird aber, als sie auf das Tor zusteuert, von den Bediensteten am Verlassen des Geländes gehindert.

Maria Beatrice Morandini Valdirana (Valeria Bruni Tedeschi) ist zwar tatsächlich adeliger Herkunft, aber die Villa Biondi, in der sie residiert, ist eine psychiatrische Anstalt. Das hält die noble Maria nicht davon ab, sich als Besitzerin des Anwesens aufzuspielen, von dem sie behauptet, dass es ihrer Familie gehöre. Es ist die Verwandtschaft, die die Gräfin aufs therapeutische Abstellgleis verfrachtet hat, nachdem sie sich unsterblich in einen jungen Gangster verliebte und deshalb mit dem Justiz- und Bankwesen gründlich in Konflikt geriet.

Maria ist krank, bipolar, wobei die manische Seite deutlich stärker ausgeprägt ist als die depressive. Wie eine Naturgewalt läuft Maria durch ihr inzwischen abgeschottetes Leben, ihre Würde verteidigt sie in wechselnden Persönlichkeitsformen. Als dann die introvertierte Donatella (Micaela Ramazzotti) eingeliefert wird, schmuggelt sich Maria ins Zimmer der Ärztin und übernimmt auf äußerst überzeugende Weise die Erstanamnese der verstörten, depressiven Patientin. Der Beginn einer intensiven Freundschaft.

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Alsbald teilen Maria und Donatella sich nicht nur das Zimmer, sondern reißen bei einem Arbeitseinsatz in der Gärtnerei auch gemeinsam aus der Anstalt aus. Maria hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, den Sohn ihrer Freundin ausfindig zu machen – nach einem tragischen Selbstmordversuch mit Kind war Donatella das Sorgerecht entzogen worden. Wille und Weg sind für die abgedrehte Gräfin ohnehin das Gleiche, und so beginnt in Paolo Virzìs Tragikomödie „Die Überglücklichen“ ein Roadmovie mit zahlreichen überraschenden Wendungen und Konfrontationen.

Ein wenig wie „Thelma & Luise“ auf Psychopharmaka, denkt man, denn der Regisseur entwickelt ein feines Spannungsverhältnis zwischen den Möglichkeiten einer Frauenfreundschaft und den Störungsmustern und Krankheitsbildern seiner Protagonistinnen. Dass die beiden Frauen aus entgegengesetzten gesellschaftlichen Milieus stammen – hier die High-Society-Lady, da die sozial Benachteiligte – ermöglicht es Virzì, wie schon in seinem letzten Film „Die süße Gier“ mit unangestrengter Beiläufigkeit, ein Sittengemälde Italiens zu skizzieren und von der sozialen Kluft in seinem Land zu erzählen. Eine Kluft, die von Maria und Donatella mit selbstverständlichem Wahnsinn überbrückt wird.

Valeria Bruni Tedeschi entwickelt große Spielfreude als abgedrehte Diva

So gelingt in „Die Überglücklichen“ die Balance zwischen komischen, tragischen, verrückten, poetischen und klarsichtigen Momenten, die in schneller Folge dem manisch-depressiven Temperament der Figuren angepasst werden, ohne dass die Dramaturgie ins Hyperventilieren gerät. Valeria Bruni Tedeschi geht in der Rolle der abgedrehten Diva sichtbar auf und bildet zusammen mit Micaela Ramazzotti ein sich hervorragend ergänzendes Crazy-Buddy-Paar, das Exaltiertheit und emotionale Tiefe mit großer Spielfreude zu vermitteln versteht.

Ab Donnerstag in 11 Berliner Kinos. OmU: Bundesplatz-Kino, Kino in der Kulturbrauerei, Neues Off

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