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Literaturnobelpreis für Han Kang: Eine gute, belebende Wahl
Mit der Auszeichnung für die südkoreanische Schriftstellerin ist die Schwedische Akademie sich selbst treu geblieben und hat einmal mehr die literarische Welt überrascht.

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Mit der Wahl der südkoreanischen Schriftstellerin Han Kang als diesjährige Literaturnobelpreisträgerin hat die Schwedische Akademie in Stockholm wieder einmal ihre Autonomie und Unbeeindruckbarkeit von jedweden öffentlichen Einflüsterungen bewiesen. Viele Namen waren in den Tagen vor der Bekanntgabe genannt worden, viele Autoren und Autorinnen, die seit Jahren favorisiert werden, von Haruki Murakami bis Salman Rushdie, von Anne Carson bis Can Xue. Von Han Kang hatte kaum jemand gesprochen.
Also, mal wieder, eine kleine Überraschung. Die hat anders als der nicht ganz unerwartete Literaturnobelpreis vergangenes Jahr für den Norweger Jon Fosse auch etwas Belebendes, Erfrischendes. Han Kang wurde 1970 geboren, sie ist also vergleichsweise jung, gerade im Orbit des Literaturnobelpreises. Man denke an Annie Ernaux, inzwischen 84 Jahre alt, oder Abdulrazak Gurnah, der dieses Jahr 76 Jahre alt wird. Han Kang schreibt überdies eine Literatur, die etwas Körperliches hat, die sprichwörtlich an die Nieren und andere innere Organe geht, Gewalt ist ein wiederkehrendes Motiv in ihrem Werk.
„Die Vegetarierin“ ist ihr bekanntester Roman
Und diese Autorin muss nicht erst groß entdeckt werden. Han Kang wurde mit ihrem 2007 in ihrer Heimat veröffentlichten und auch verfilmten Roman „Die Vegetarierin“ international flächendeckend bekannt: 2016 bekam sie dafür den Man Booker International Prize (den dieses Jahr Jenny Erpenbeck erhielt), was nicht zuletzt zu mehr als dreißig Übersetzungen weltweit führte. Auch in Deutschland gibt es beim Aufbau Verlag fünf Romane von ihr in deutscher Übersetzung.
Dass die Schwedische Akademie trotzdem womöglich sich von außerliterarischen Kategorien leiten lässt, beweist die Wahl Han Kangs aber auch. Immer wieder sieht die Akademie sich dem Vorwurf ausgesetzt, zu fixiert auf die europäische Literatur zu sein, allein weil es davon viel mehr Übersetzungen ins Schwedische und Englische gibt. Es wurde nach den Auszeichnungen für Fosse, Ernaux, Gurnah (Großbritannien!), Tokarczuk und Handke mal wieder Zeit für einen originär anderen Kontinent, nun also den asiatischen.
Und selbst die Schwedische Akademie sorgt sich inzwischen um ein einigermaßen ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei der nach wie vor ungeheuren Dominanz männlicher Literaturnobelpreisträger in der Vergangenheit. Dass die diesjährige Auszeichnung populär ist, kommt dazu: Südkoreanische Literatur boomt. Seit einigen Jahren gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl von Übersetzungen, gerade von einigen Schriftstellerinnen, die noch jünger sind als Han Kang. Keine schlechte Wahl also.
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