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Tierpräparatorin Jennifer Dörk im Gespräch: Das Leben nach dem Tod

In Berlin wird debattiert: Darf Knut ausgestopft werden? Ein Gespräch mit der Bochumer Präparatorin Jennifer Dörk (32) über die Abwesenheit von Blut, Tiefkühltruhen und die Bedeutung von Fotos.

Frau Dörk, Sie föhnen, zupfen mit Pinzetten, malen mit feinen Pinseln Lippen an – wie in einem Schönheitssalon.
Na klar. Bei einem toten Tier behält ja nichts die Farbe. Das Augenlid, die Nase oder das Innere der Ohren verblassen, das wird von mir koloriert. Ich muss schon ein Gespür für Farben haben, sonst sieht das nicht hübsch aus. Ich arbeite viel mit Airbrush, und am Ende kommt ein Finish auf alle Partien, die leicht feucht aussehen sollen – so wie bei einem lebendigen Tier auch.

Auf Ihrer Preisliste stehen von der Eiderente übers Warzenschwein bis zum Grizzly jede Menge Tiere. Ihr Alltag ist ...
... Jagdwild, das macht 70 Prozent meiner Arbeit aus. Reh, Fuchs, Marder und andere. Der Rest sind Haustiere. Da führen klar die Katzen, gefolgt von Meerschweinchen und Kaninchen. Hunde sind eher selten, das liegt sicher am Preis.

1000 Euro und mehr.
Kommt darauf an, es hängt jedenfalls nicht von der Größe ab. Ein Jack Russell ist sehr kurzhaarig, da muss ich am Körper jede Muskelpartie modellieren. Ein zotteliger Yorkshire geht schneller, den mache ich für 500 bis 800 Euro.

Die Tiere auf den Fotos gucken neugierig, sitzen nett da, lümmeln entspannt herum. Wer bestimmt diese Posen?
Ich empfehle immer eine ruhige Position, liegend am besten. Denn das Tier wird diese Haltung ja nie wieder verändern. Bei sitzenden oder stehenden Tieren wächst die Erwartung, das Präparat könnte sich eines Tages bewegen. Jeder muss selber wissen, ob er damit klarkommt. Ich lasse den Kunden ein paar Tage Zeit, sich zu entscheiden. So direkt nach dem Tod eines Tieres sind die emotional zu sehr aufgewühlt.

Müssen Sie etwas über den Charakter des Tieres wissen: faul, lustig, verspielt ...?
Ich erfahre unheimlich viel, weil die Leute so viel über sich und ihr Tier erzählen. Aber was ich für die Arbeit brauche, sind gute Fotos.

Sie lernen durch Ihre Arbeit auch viel über Menschen.
Manche haben eine engere Bindung zu einem Tier als zu Freunden, manche sind verschroben und einsam, ja, aber es ist ein Klischee zu glauben: Da kommt die alte Witwe und lässt sich ihre ach so geliebte Katze verewigen. So ist es gar nicht! Die meisten sind um die 40 Jahre, es sind recht viele Paare darunter. Auch die Motive sind vielfältig. Die einen waren mit ihrem Kaninchen häufig im Urlaub, ein anderer hatte eine schwere Krankheit durchzustehen, und ein Haustier hat ihn dabei begleitet. Ein Paar hat fünf Katzen und lässt nur eine bestimmte präparieren, eine Frau lässt das mit jedem Tier machen und hat eine Sammlung zuhause, die ins Zweistellige geht.

Wenn ich mit einem Eisbären wie Knut käme ...
... würde ich Sie an meinen Kollegen verweisen, der ist für Großtiere zuständig. Er hat ein Jahr in Namibia gearbeitet, Elefanten, Giraffen, Löwen – er kann auch einen Eisbären herrichten. Technisch ist das kein Problem, eher finanziell.

In etwa?
8000 Euro, schätze ich mal grob.

In der Umgangssprache sagt man: ein Tier ausstopfen. Doch Sie stopfen gar nicht aus, Sie benutzen vorgefertigte Schaumkörper.
Nein, mein Kollege arbeitet so. Für mein Kleinzeugs modelliere ich alles individuell, deshalb sind Haustiere teurer als Wildtiere. Für eine Katze wickle ich den Körper ganz traditionell aus Holzwolle, da kann ich die Gliedmaßen später etwas bewegen. Auf diesen Torso ziehe ich dann die gegerbte Haut auf.

Was tun, wenn mein Meerschweinchen am Freitagmittag stirbt und Sie sind weit weg?
In eine saubere Plastiktüte stecken und in der Tiefkühltruhe einfrieren.

Da liegt es dann zwischen Spinat und asiatischer Kürbissuppe?

Ja, Sie sollten es besser erst montags losschicken, denn wenn das Tier ein paar Tage auf der Post liegt, sieht es beim Auspacken nicht wirklich gut aus.

Wie sind Sie eigentlich auf diesen sehr speziellen Beruf gekommen?
Ich wollte schon als Kind Rechtsmedizinerin werden, für ein Praktikum in der Pathologie war ich aber zu jung, da hat mir jemand geraten: Geh doch ins Naturkundemuseum von Gotha, da machen sie so etwas Ähnliches mit Tieren. Dort haben sie mich genommen, so habe ich Feuer gefangen.

Ihr Arbeitsraum ist gefliest. Es geht hier blutig zu?
Nun, ich muss die Tiere ja öffnen, das Fell abziehen. Bei den Haustieren ist kaum Blut zu sehen, die jagdlichen Sachen, da sind die Blutgefäße zerstört ...

Ich hatte mal zwei Goldfische, die sind fast gleichzeitig gestorben. Ich habe den Trauermarsch von Chopin aufgelegt und die beiden die Toilette runtergespült.
Oh.

Bin ich in Ihren Augen ein schlechter Mensch?
Nein, nein. Sie sollten das nur nicht mit einem Kaninchen probieren.

Sie selbst haben einen Chihuahua, weißes Fell, spitze Nase, große Ohren. Was wird mal aus dem?
Meinen Nico könnte ich niemals aufschneiden. Der bekommt mal einen schönen Platz im Garten.

Die Fragen stellte Norbert Thomma.

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