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Biopic: Grüß mir die Sonne

„Elly Beinhorn – Alleinflug“: Das ZDF feiert eine frühe Heldin der deutschen Luftfahrt und übersieht die Nazi-Schatten.

Sie ist jung. Sie sieht gut aus. Sie schwebt durch die Zeit. Sie kann flirten, küssen, aber männlicher Bevormundung erliegt sie nicht. Wenn sie sich abenteuerlustig in ihr 40-PS-Maschinchen setzt, um in die weite Welt zu fliegen, muss man ein Hasenfuß sein, um da nicht mitfliegen zu wollen. Hans Albers schmettert im Radio den Fliegermarsch: „Flieger, grüß mir die Sonne“. Nimm uns mit, schöne Elly. Zwei Frauen und ein Sender waren vom Leben der 2007 im Alter von 100 Jahren gestorbenen Rekordfliegerin Elly Beinhorn angetan: die Produzentin Ariane Krampe, die Regisseurin Christine Hartmann, die auch das Drehbuch über die große Zeit der Fliegerin schrieb, und das ZDF.

Moderne feministische Erkenntnisinteressen leiteten die Macherinnen in dem Fernsehfilm: Wie kann eine Frau ihre Träume gegen eine Männerwelt verwirklichen? „Wie ist es möglich, den Wunsch nach Selbstverwirklichung und die Sehnsucht nach Partnerschaft und Familie miteinander zu vereinbaren, ohne sich selbst zu verlieren?“, heißt es im Programmtext. Das kann man fragen, kann man eigentlich immer fragen, wo Menschen menscheln. Egal, man kann es bebildern. Dieses Stück „Herzkino“ tut es frisch, forsch und fröhlich. Die Beinhorn-Darstellerin Vicky Krieps umwehen Schönheit und Charme, sie scheint auch zu fliegen, wenn sie mutig und keck vor Eltern-und Geldgeberthronen auftritt. Mit Fliegerkappe und in Pilotenbreeches on air, im schneeweißen Tropenlook unter afrikanischer Sonne, als burschikose Fliegerkameradin, in zarter Erotik mit ihrem späteren Mann, dem bald tödlich verunglückenden Rennfahrer Bernd Rosemeyer (Max Riemelt), als trauernde Witwenmutti – Kriebs’ Beinhorn ist sempre adrettissimo und herzallerliebst. (Höchstens könnte sie noch etwas an ihrer Aussprache arbeiten.)

Der Film fliegt mit, wenn Flying-Elly nach Afrika startet, um einem deutschen Forscher zu helfen, wenn sie einem englischen Männerpaar begegnet und lange braucht, um zu begreifen, dass sie als Frau die erotische Konstellation durcheinanderbringt. Die Bilder ihrer wunderbaren Errettung durch Einheimische nach einem Absturz in der afrikanischen Wildnis träumt der Film ebenso mit, wie es während der frühen Hitlerzeit Millionen Leser und Wochenschaubesucher taten. Auch die Unfalltragödie ihres Mannes 1938 betrachtet der Film, Andeutungen über hochriskante Rekordsucht ausgenommen, aus der privaten Perspektive einer prominenten Frau, die sich nun als Witwe mit einem Kind organisieren muss. Auf den Ruhm einer Vorläuferin weiblicher Emanzipation konzentriert, fällt es Hartmanns Film schwer, die historischen Schatten zu beschreiben, die auf Beinhorns Karriere fallen.

Das „Herzkino“ lässt lieber beiseite, was wir heute wissen: Die Nazis kontaminierten deutschtümelnd die Mädchen- und Jungenträume von der friedlichen Freiheit der Fliegerei und ihrer Abenteuer. Hitler war es, der während der Weimarer Zeiten im Wahlkampf von Stadt zu Stadt flog („Der Führer über Deutschland“), die knatternden Kisten wurden im Krieg zu todbringenden fliegenden Festungen entwickelt, aus Abenteuern wurden Eroberungsunternehmen.

Mit wenig war die Naziideologie so im Bunde wie mit Tempo und Motorisierung. Wenn er nicht flog, grüßte der Führer aus schnittigen Limousinen. Der Rennfahrerkult bereitete auf den Blitzkrieg vor. Das deutsche Pilotinnenmädel, Sturm und Blitz trotzend, widersprach zwar dem braunen Ideal von der Frau als Kriegergebärmaschine am häuslichen Herd, war aber als etwaige eskapistische Sehnsüchte dämpfender Unterhaltungsstoff willkommen.

Das unpolitische Promipaar diente, ob es das wusste und wollte oder nicht, der Naziherrschaft. Jedenfalls müssen das heutige Filmemacher wissen und im Wohllaut der Bilder Spuren der braunen Schatten deutlich machen. Ergebenheit einem Lebensbericht gegenüber ist nicht erste Biopicpflicht und ebenso wenig das Schweigen, wenn der Held schweigt.

Die Szenen, in denen Beinhorn die Begrenzungen durch die Nazizeit ahnt, gibt es, aber sie werden als lästige, kaum zu verstehende Störung vom femininen Märchen der Selbstbefreiung einer schönen Amazone behandelt. Ellys Vater (Harald Krassnitzer) schimpft einmal unvermittelt über Hitler, sitzt dann aber begeistert mit seiner Frau (Ulrike Krumbiegel) im Kino, um die pathetischen Wochenschauberichte über seine kühne Tochter zu sehen.

Vom Elly-Geliebten Rosemeyer erfahren wir beiläufig, dass er Mitglied der SS geworden ist. Ernst Udet (gespielt von Christian Berkel mit Curt-Jürgens-Perücke), ein Fliegerass und befreundeter Elly-Mentor, ist in Hermann Görings Luftfahrtministerium eingetreten, und er verwandelt sich vom Fliegerkameraden in einen gestressten und saufenden Manager. Er wird sich später erschießen, Carl Zuckmayer macht ihn zum tragischen Helden seines Stücks „Des Teufels General“ (gespielt von Jürgens). Aber den Beinhorn-Film irritiert das wenig. Ihm reicht, dass die Fliegerin nie in die NSDAP eintrat und im Krieg am Boden blieb, anders als Hanna Reitsch (1912–1979) etwa, eine berühmte Beinhorn-Kollegin und Hitlerverehrerin, die den Diktator 1945 aus dem Führerbunker ausfliegen wollte. Beate Uhse diente als Hauptmann der Luftwaffe in einem Überführungsgeschwader. Emanzipiert vom klassischen Frauenbild war auch Leni Riefenstahl, was die Filmemacherin („Triumph des Willens“) nicht von teuflisch-bombastischer Propaganda abhielt.

Für postkartenschöne Lehrstücke aus dem Genderlabor taugen Vorlagen nichts, die aus dem Steinbruch der unpolitischen Mitläufer der Naziherrschaft stammen. Dort findet man keine Vorbilder für heute. Die Selbstfindung von Frauen findet in der Geschichte statt mit all deren Brutalitäten. Das Leben der Beinhorn war ein Nachtflug in die Finsternis, auch wenn die Bilder taghell strahlen. Im „Herzkino“-Trailer überspült eine mächtige Welle einen Strand, ironische Anspielung auf das Meer der Tränen und Begeisterung, die alles in dem frauenaffinen Genre überschwemmen wollen. Es muss aber auch Deiche geben.

„Elly Beinhorn – Alleinflug“, Sonntag, ZDF, 20 Uhr 15

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