Meinung: Abwarten und Hände waschen
Kein Zweifel, die Schweinegrippe ist außer Kontrolle. Das Robert-Koch-Institut warnt vor einer drastischen Zunahme der Infizierten in Deutschland. Trotzdem ist eine Panik noch immer unbegründet.
Die Schweinegrippe ist nicht mehr aufzuhalten, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Und das Robert-Koch-Institut berichtet von einer drastischen Zunahme der Infizierten in Deutschland binnen kürzester Zeit. Kein Zweifel, die Schweinegrippe ist außer Kontrolle. Trotzdem reagiert die Mehrheit der Deutschen mit Gleichgültigkeit. Vielleicht ist man abgestumpft angesichts des blinden Alarms, der wegen der Vogelgrippe vor drei Jahren ausgelöst wurde. Damals wurde beim Fund einer verendeten Ente an einem Baggersee schon fast der nationale Notstand ausgerufen. Der Tod aus der Luft schien sicher zu sein. Doch am Ende war die Ente eine Ente. Die Vogelgrippe geriet in Vergessenheit.
Meist wird auf die Spanische Grippe von 1918 verwiesen, die nach einer ersten vergleichsweise harmlosen Attacke in zwei weiteren schweren Krankheitswellen Millionen von Menschen niederstreckte. Es sieht jedoch nicht danach aus, dass sich so etwas wiederholt. Bis heute ist nicht geklärt, welche Faktoren für die Pandemie von 1918 ursächlich waren. Und zum anderen ist die Zahl der Todesopfer durch Grippe-Pandemien seitdem drastisch gesunken.
In Deutschland sind bislang knapp 2000 Schweinegrippefälle gemeldet worden. Das heißt aber nicht, dass nun 2000 Bundesbürger daniederliegen. Es handelt sich bei dieser Zahl nicht etwa um den aktuellen Krankenstand, sondern um die Gesamtzahl aller bisher aufgetretenen Fälle. 80 Prozent der Infizierten dürften längst wieder gesund sein. Denn die Schweinegrippe verläuft meist mild und heilt ohne Medikamente binnen sieben Tagen aus, heißt es von Seiten der WHO. Mancher Schnupfen ist schlimmer, hat die britische Tageszeitung „Guardian“ bemerkt.
Es ist nicht nur die traumatische Erinnerung an die Spanische Grippe, wegen der beim Stichwort Grippe sofort der Alarmknopf gedrückt wird. Seit vielen Jahren bemühen sich Impfstoffhersteller und Pharmafirmen, die Virusgrippe Influenza als besonders große Gefahr herauszustellen. Jedes Jahr, heißt es, sterben in Deutschland an der „ganz normalen“ saisonalen Grippe bis zu 22 000 Menschen. Und das, obwohl allenfalls ein paar Dutzend Fälle nachgewiesen sind. Wie kann das sein? Ganz einfach: Die generell höhere Sterblichkeit im Winter wird zu einem großen Teil der Influenza zugeschrieben, obwohl schwere Atemwegserkrankungen durch Hunderte weiterer Erreger ausgelöst werden können.
Angesichts solcher Bedrohungen geht von Grippemitteln wie Tamiflu und Relenza und dem ersehnten Schweinegrippe-Impfstoff ein fast religiöser Nimbus aus. Sie sollen uns von dem Übel erlösen. Aber das können sie nicht. Grippemedikamente vermögen rechtzeitig eingenommen die Grippe um einen Tag zu verkürzen, vielleicht auch das Risiko von Lungenentzündungen zu senken. Die Impfung verleiht allenfalls einen gewissen Schutz. Natürlich, das ist besser als nichts. Vorerst aber gilt: Abwarten und Hände waschen.