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Von Fabian Leber: Abwracken ohne Ende

Die Koalition muss den Bauern helfen – denn sie kann nicht mehr Nein sagen

Stand:

Der Gaststättenverband fordert einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für das Gastgewerbe. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen fordert eine Rücknahme der Erhöhung bei der LkwMaut. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller fordert, dass zehn Prozent der Forschungskosten von der Steuerschuld abgezogen werden können. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner fordert angesichts der Wirtschaftskrise ein Hilfsprogramm für die Landwirtschaft.

Das sind nur ein paar der Meldungen aus den vergangenen Tagen. Am Montag haben sich zumindest die Landwirte mit einem Teil ihrer Forderungen durchgesetzt: Agrardiesel wird nach dem Willen der Bundesregierung in den nächsten zwei Jahren billiger. Eine politische Entscheidung war dies allerdings nicht. Union und SPD hatten schlichtweg keine andere Wahl. Nachdem sich die große Koalition kopflos in das Abenteuer der Abwrackprämie gestürzt hatte, fehlt ihr jetzt jedes Argument, um dem freien Spiel der Interessengruppen auszuweichen.

Dabei hätte man gerade vom Bündnis der Volksparteien mehr Resistenz gegenüber Partikularinteressen erwarten können. Eine deutliche Mehrheit im Parlament, die unpopuläre Entscheidungen auch gegen großen Widerstand durchsetzen kann – diese Hoffnung gab es. Nicht wenige Menschen hatten mit der großen Koalition den Anspruch verbunden, dort könne eine Art Politik des Gemeinwohls betrieben werden. Diese Sehnsucht ist nicht ganz verschwunden. Viele Deutsche halten das kompromisshafte Bündnis von Union und SPD immer noch für ihre Wunschkoalition.

Daran scheint auch die Tatsache nichts zu ändern, dass es unter der Regierung Merkel zum teuersten Wahlkampfjahr der deutschen Geschichte kommt. Die 525 Millionen Euro, die jetzt indirekt an die Bauern gehen, wirken in diesem Zusammenhang bloß wie ein untergeordneter Buchungsposten.

Das ein oder andere Stützungsgeschäft mag ja durchaus sinnvoll sein – wenn die Koalition nur nicht so tun würde, als könne sie auf dem Verordnungswege festlegen, was dem Gemeinwohl dient. Dann würde auch deutlich werden, dass sich aus der Addition von Partikularinteressen allein noch kein Gewinn für die Allgemeinheit ergibt. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Nutzen für manche Bevölkerungsgruppen (in diesem Fall der Landwirte) größer ist als der Nachteil für andere Gruppen (in diesem Fall der Steuerzahler).

Um die Interessen der Allgemeinheit zu wahren, müsste zumindest klar sein, welche Spielregeln gelten. Bisher jedoch fehlt es an einer Geschäftsgrundlage. Hilfen für die Milchbauern hätten zum Beispiel mit der Forderung an die Interessenverbände verknüpft werden können, die Milchquote schon vor dem Jahr 2015 abzuschmelzen. Gleiches gilt für die Autoindustrie. Auch dort wären Gegengeschäfte politisch möglich gewesen – etwa bei der Frage, wie sehr die Hersteller bestimmte Klimaziele mitzutragen haben. Zumindest wäre dann bei den Steuerzahlern ein Eindruck haften geblieben: Wer zahlt, bestimmt.

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