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Von Andrea Nüsse: Alle ohne Kleider

Die Nahost-Enthüllungen demütigen die Palästinenser und blamieren den Westen

Stand:

Die palästinensische Autonomiebehörde steht nackt da. Die Veröffentlichung der geheimen Verhandlungsprotokolle mit Israel und den USA durch den Fernsehsender „Al-Jazeerah“ ist eine Katastrophe für die Palästinenserführung. Die weitgehenden Zugeständnisse an Israel sind zwar grob bekannt gewesen. Aber ähnlich wie mit den Wikileaks-Papieren ist es immer noch etwas anderes, wenn man sie Schwarz auf Weiß nachlesen kann.

Fast mehr als die weitgehenden Zugeständnisse, zu denen die palästinensischen Unterhändler bereit waren, schockiert die Sprache. Wenn Chefunterhändler Saeb Erekat darum fleht, ihm wenigstens „ein Feigenblatt“ zu lassen, dann ist das für die Palästinenser erniedrigend. Zumal Erekat vergebens gebettelt hat: Israel wich nicht von seinen Maximalforderungen ab und auch die USA stellten sich taub. Viele Palästinenser werden sich ihrer kollektiven Würde beraubt sehen. Profitieren wird von der Veröffentlichung die islamistische Hamas, radikaler Gegenspieler der Autonomiebehörde, die immer vor Zugeständnissen an Israel warnt. Das wird den Sender „Al-Jazeerah“, dem oft eine Nähe zu Islamisten vorgeworfen wird, kaum stören. Ebenso wie er einst die unbearbeiteten Videobotschaften eines Bin Laden ausstrahlte, beruft sie sich jetzt auf die Pressefreiheit. In diesem Falle allerdings zu Recht.

Doch wenn man genauer hinschaut, stehen auch die USA und die EU nackt da. Denn die palästinensischen Unterhändler haben ja nicht allein aus Überzeugung gehandelt. Sie stehen unter dem enormen Druck der Amerikaner, den einzigen ernstzunehmenden Vermittlern in dem Konflikt. Und sie müssen dem Diktat der EU folgen, weil diese die Gehälter der Angestellten der Autonomiebehörde bezahlt, die der größte Arbeitgeber in den Palästinensergebieten ist.

Mit diesem Druckmittel hatte die EU auch erreicht, dass Präsident Mahmud Abbas und seine Fatah keine Einheitsregierung mit der Hamas eingingen, nachdem die Islamisten bei den sauberen Parlamentswahlen 2006 gesiegt hatte. Doch politisch belohnt für die Zugeständnisse, die nur durch einen Friedensschluss dem palästinensischen Volk hätten verkauft werden können, wurde dieses Verhalten nicht.

Viel ist seit der Revolte der Jugend in Tunesien von Würde und Respekt die Rede; oder eher dem Mangel an Würde und Respekt, den Ex-Präsident Ben Ali für sein Volk an den Tag gelegt hat. Der Westen und EU üben sich nun in Selbstkritik und hinterfragen ihre bisherige Politik. Die Überzeugung, dass in der arabischen Welt Stabilität wichtiger ist als Freiheit und Würde der Menschen, ist ins Wanken geraten. Der Westen, vor allem die USA, können nun nachlesen, wie sie auch im Fall Palästina an der Erniedrigung eines Volkes mitgearbeitet haben.

Zwar steht auch Israel düpiert da. Denn anscheinend hatte es doch meistens einen Partner für Verhandlungen. Aber unter den bisherigen Prämissen kann es nach dieser Veröffentlichung eigentlich keine Verhandlungen mehr geben.

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