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A picture taken on February 11, 2018, shows the 75-storey Gevora Hotel (C), which stands 356 metres or nearly a quarter of a mile tall, in the Gulf metropolis of Dubai.
Gulf metropolis Dubai, on its never-ending quest to break records, announced the opening of the "world's new tallest hotel" Sunday, pipping another towering landmark in the city for the title.
 / AFP PHOTO / KARIM SAHIB

© AFP / AFP/Karim Sahib

Auf geheimer Mission in Dubai: Wie ein israelischer Diplomat den Grundstein für Verständigung legte

Wie im Spionagethriller flog Ron Prosor, heute Botschafter Israels in Deutschland, einst in die Emirate - und startete einen Dialog. Ein Erfahrungsbericht.

Von Ron Prosor

Stand:

Auf einem Podium mitten in der Wüste Negev fassten sich sechs Herren an den Händen und sandten eine starke politische Botschaft in die Welt: Wir stehen geschlossen zusammen. Die Welt war möglicherweise etwas überrascht von diesem Bild, denn es handelte sich bei den sechs Herren um die Außenminister von Israel, Ägypten, Bahrain, der Vereinigten Arabischen Emirate, Marokkos und der USA. Außenminister Yair Lapid war Gastgeber des Gipfeltreffens im Süden Israels. Das Treffen zeigte die Richtung an, wie Frieden in der Region erreicht werden kann und was möglich ist, wenn ehemalige Feinde für eine bessere Zukunft zusammenarbeiten.

Die historische Zusammenkunft fand im Kibbuz Sde Boker statt, nur wenige Minuten vom Grab von David Ben Gurion entfernt. Was wohl der erste Premierminister des Staates Israel dazu gesagt hätte?  

Ich selbst war nicht ganz so überrascht wie die Beobachter in aller Welt. War doch der Gipfel die Folge einer beständigen Entwicklung der vorangegangenen Jahre. Und er war für mich auch der Beweis dafür, dass man als Diplomat manchmal etwas Außergewöhnliches wagen muss, um Dinge zu verändern. Vor allem gilt das für israelische Diplomaten, wenn sie Frieden im Nahen Osten erreichen wollen.

Eine Reise wie in einem Spionagethriller

So kam es, dass ich im Jahr 2004 in meiner Funktion als Generaldirektor des israelischen Außenministeriums in geheimer Mission nach Dubai unterwegs war. Die Reise war insgesamt etwas umständlich, da ich zunächst die Grenze von Israel nach Jordanien über eine Brücke überqueren musste.

Ein bisschen fühlte ich mich wie in einem Spionagethriller, denn ich musste sogar unsere eigene Botschaft in Amman im Unklaren lassen. Irgendwie hatte der Botschafter wohl erfahren, dass ich das Land betreten hatte – dann jedoch verschwand ich buchstäblich von seinem Radar.

Ich flog also inkognito von Amman nach Dubai. Grünes Licht bekam ich damals von Premierminister Ariel Sharon. In Dubai begann ich vorsichtig und in kleinen Schritten einen Dialog, von dem damals überhaupt nur eine Handvoll Menschen in Israel wussten. Heute kann ich sagen: Es hat sich gelohnt!

Ein historischer Tag: Am 15. September 2020 unterzeichnen die Außenminister Bahrains und der Vereinigten Arabischen Emirate sowie die Präsidenten Israels und der USA eine gemeinsame Erklärung, die „Abraham Accords“.

© imago images/ZUMA Wire

Sechzehn Jahre später war die Welt Zeuge, als Israel zum ersten Mal in seiner Geschichte mit zwei arabischen Staaten gleichzeitig Frieden schloss. Am 15. September 2020 unterzeichneten Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain unter Vermittlung der Vereinigten Staaten in Washington ein historisches Papier: die Abraham-Abkommen. Marokko und der Sudan schlossen sich kurz darauf diesen Abkommen an.

Genau zwei Jahre sind seitdem vergangen, und wir können schon eine positive Bilanz ziehen. Die Abkommen tragen nicht nur zu mehr Sicherheit und Stabilität im gesamten Nahen Osten bei. Die Menschen sehen und spüren täglich, welche positiven Entwicklungen in ihrer Region möglich sind, wenn Politiker sich darauf einigen, in eine Zukunft der Partnerschaft, des Fortschritts und des Friedens zu investieren.  

Die Abkommen läuteten nichts anderes als eine Zeitenwende für den Nahen Osten ein. Diese Entwicklung war noch vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar. Es ist großartig, dass wir das geschafft haben. Aber wir müssen jetzt dranbleiben und dürfen nicht nachlassen. Das transformative Potential der Abraham-Abkommen müssen wir unbedingt nutzen! Wir müssen die Chance ergreifen, den Weg in eine bessere und sicherere Zukunft für unsere Gesellschaften und vor allem für unsere Kinder zu ebnen. 

Erstaunlich schnelle Kooperation

Das Wichtigste dabei ist, dass wir gerade dabei sind, einen echten, auf gegenseitigem Respekt basierenden Frieden zu erreichen. Die Menschen begegnen sich wirklich. Sie stellen fest, dass sie mehr verbindet, als sie trennt. Das zeigt sich auch daran, wie schnell Kooperationen in der Wissenschaft und Wirtschaft zwischen Israel und seinen arabischen Partnern auf den Weg gebracht wurden. Das alles geschieht zum Wohl beider Seiten und zum Wohl der gesamten Region.

In Europa haben viele gedacht, dass es unmöglich ist, eine Annäherung mit den arabischen Staaten zu erreichen, ohne vorher den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen. Dass eine Einigung mit den Palästinensern erreicht werden muss, ist jedem Israeli klar. Eine Einigung ist für uns und für die Palästinenser ein Muss, doch das bedeutet ja nicht, dass wir nicht gleichzeitig eine Annäherung zwischen den Völkern der Region zu erreichen versuchen und sie in den Friedensprozess einbeziehen.

Wir haben damit begonnen. Das Erreichte müssen wir jetzt vertiefen, erweitern und immer wieder pflegen, damit es gedeihen kann. Wir müssen Visionen und Innovationen miteinander verbinden.

Sogar Gespräche über regionale Verteidigungsprojekte

Von diesem Abkommen profitieren schon jetzt alle Seiten. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind eines der Schlüsselelemente unserer Partnerschaft. Aber auch in der Wissenschaft, im Tourismus, bei Wasserfragen, Energie, Technologie und Medizin wollen wir eng kooperieren. Ein lebendiger Kulturaustausch ist schon im vollen Gange, man denke nur an den israelischen Pavillon bei der EXPO in Dubai. Auch über gemeinsame regionale Verteidigungsprojekte sprechen wir inzwischen.

Wenn ich heute auf diese rasanten positiven Entwicklungen blicke, bin ich auch ein bisschen stolz, dass wir als israelische Diplomaten unseren Teil dazu beigetragen haben. Hinter den Kulissen sind wir beharrlich geblieben, haben nie aufgegeben. Wir haben mit Fingerspitzengefühl und Geduld ganz neue politische und vor allem zwischenmenschliche Beziehungen zu gleichgesinnten Gesprächspartnern in den Golfstaaten aufgebaut und Vertrauen geschaffen – immer mit dem Ziel vor Augen, dass eines Tages ein echter Frieden zwischen unseren Völkern herrschen möge. Wir haben „outside the box“ gedacht und gehandelt – und ja, wir haben etwas Außergewöhnliches gewagt. 

22. August 2022, Berlin: Der neue israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hält auf dem Bebelplatz im Bezirk Mitte seine Antrittsrede. Auf dem geschichträchtigen Ort fand während des Nationalsozialismus die Bücherverbrennung statt.

© Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Vor 15 Jahren haben wir mit einem geheimen Büro in Dubai angefangen. Inzwischen hat Israel Botschaften in Bahrain und in den Vereinigten Arabischen Emiraten eröffnet. Im marokkanischen Rabat hat Israel mit dem Bau seiner Botschaft begonnen. Es gibt Direktflüge zwischen unseren Ländern, und an den jüdischen Feiertagen sind manchmal mehr Israelis in Dubai unterwegs als zu Hause.  

Es ist offensichtlich: Im Nahen Osten ist ein sehr dynamischer Prozess im Gange. Israel und seine Partner in der arabischen Welt – Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko – verändern gerade die Region und ein bisschen auch die Welt zum Guten. Im Rahmen der Abraham-Abkommen haben wir es schon geschafft, gemeinsam eine Infrastruktur aufzubauen. Aber wir brauchen die Unterstützung unserer Freunde und Partner. Ich lade auch Deutschland ein, Seite an Seite mit Israel ein Teil dieses Prozesses zu sein! 

Übrigens können auch die Berlinerinnen und Berliner Zeuge der positiven Auswirkungen der Abraham-Abkommen werden: Beim Festival of Lights im Oktober 2022 zeigt die Botschaft des Staates Israel erstmal eine gemeinsame Lichtinstallation mit der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate an der Fassade des Hotel de Rome. Und das Motto könnte passender nicht sein: „Vision of our Future“!

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