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Meinung: Aus der Defensive

Von Tissy Bruns

Die Oppositionsparteien haben sich schon richtig daran gewöhnt, dass die rotgrünen Akteure in der Defensive sind. Die Initiative, den Außenminister schon im April vor den Untersuchungssausschuss zu laden, hat sie deshalb überrascht; entziehen konnten sich Union und FDP dem Vorstoß der Regierung nicht. Wer ankündigt, eine Aussage juristisch zu erzwingen, kann nicht verweigern, wenn sie aus freien Stücken angeboten wird. Joschka Fischer wird nun doch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen aussagen und sich vielen Fragen stellen müssen.

Doch zum Bild gehört nicht nur, dass die Oppositionsparteien überrumpelt wirkten. SPD und Grüne standen unter starkem Zugzwang. Denn es hat sich gezeigt, dass alle anderen Versuche des Außenministers, zur Aufklärung der Affäre durch öffentliche Äußerungen beizutragen, gescheitert sind. Seine erste Einlassung auf dem Bürgersteig war ein Fiasko, die umjubelte Rede im Kölner Gürzenich Balsam nur für die Grünen.

Man spricht in der angeschlagenen rot-grünen Koalition nicht gern darüber. Aber jeder weiß, dass es vor allem die Sozialdemokraten sind, die den Preis für Fischers Fehler zahlen. Ob es dabei wirklich um nachweisbare Amtsverfehlungen handelt, hat der Untersuchungsausschuss zu klären. Unstrittig ist aber, dass sein Umgang mit der Affäre (und erst recht der seiner Partei) auf die Anhängerschaft der SPD fatale Wirkungen hat. Die schwärmerische Verteidigung einer abstrakten Weltoffenheit muss Menschen kränken, die sehr konkrete Angst vor der Konkurrenz durch legal oder illegal zugewanderte Schwarzarbeiter haben. Auf Fischers Auftritt vor dem Ausschuss ruhen deshalb große Erwartungen. Er muss nicht nur sachlich sattelfest und aktenkundig die Details beherrschen. Er muss auch die Erwartungen seiner eigenen Partei erfüllen und die der SPD – die jedoch nicht identisch sind. Und die Mitarbeiter seines Hauses, die wegen der Debatte um Nachrufe in einem ungewöhnlichen Konflikt stehen, werden mit nochmals anderen Interessen an den Lippen des Ministers hängen.

Joschka Fischer und die rot-grüne Koalition haben sich mit der vorgezogenen Vorladung eine Chance erobert. Aber eine hochriskante, die ganz und gar von Fischer abhängt. Wie wird er diese Prüfung bestehen? Es gibt in seiner Laufbahn eigentlich keinen Anhaltspunkt für eine Vorhersage, ob und wie er diese Chance nutzt oder verspielt. Als Meister der Defensive hat sich der erfolgverwöhnte Außenminister bisher nicht bewährt.

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