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Meinung: Bis zum nächsten Mal

Hamburg II: Leute wie Schill kommen, gehen und kommen wieder. Sie sind schwer auszuhalten – aber schon vorher klein zu halten

Für die feine Hamburger Gesellschaft ist Ronald Barnabas Schill, einst bekannt geworden als Richter Gnadenlos, weil er selbst geringe Vergehen mit der höchstmöglichen Strafe vergalt, heute so unangenehm wie das abstoßende Herpesbläschen, das dieser ausgerechnet am Tag seines Sturzes aus dem Amt des Innensenators wie ein Stigma auf der oberen Lippe trug. Herpes kommt immer wieder, genau wie auch Rechtspopulisten. Das Virus steckt eben drin, ist zwar zu bekämpfen, aber nicht endgültig zu besiegen. Herpes geht auch immer wieder, und jedesmal gibt es eine seltsame Hoffnung, die doch nichts anderes ist als ein naiv-sehnsüchtiger Trugschluss: diesmal für immer. Bis zum nächsten Mal.

Schills alte Partei, die sich offiziell „Rechtsstaatliche Offensive“ nannte, ansonsten aber am liebsten nach ihrem Gründer, wurde vor zweieinhalb Jahren von fast zwanzig Prozent der Hamburger Wähler, die auch in den bürgerlichen Gegenden wohnen, geradezu in die Bürgerschaft katapultiert. Diese Partei, die ihren Gründer Schill wegen des Outing-Eklats um den Bürgermeister Ole von Beust in unpolitischer Panik und peinlicher Feigheit ausschloss und die bis zur Wahl einer neuen Regierung noch immer drei Senatoren stellt, existiert seit heute faktisch nicht mehr. Auch Schill selbst hat es nicht wieder geschafft. Aber ganz weg ist er nicht. Wäre es der CDU nicht gelungen, ihre Wähler so überraschend gut zu mobilisieren, hätte es knapp werden können – für Ole von Beust.

Ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger aber ändern nichts am prototypischen Verlauf der Schillschen Politkarriere, zu der die graue Dickfelligkeit etablierter Parteien ebenso selbstverständlich gehört wie die Wohnzimmeraufstände derer, die es denen da oben mal richtig zeigen wollen, aber nur ganz selten können, und die sich tatsächlich in ausreichender Zahl noch in der Wahlkabine ihrer großspurigen Worte erinnern. Wahltag ist Zahltag! Jetzt oder nie. Danach schämten sich die meisten Schill-Wähler doch schnell ein wenig. Manche auch – zu Recht – etwas mehr. Denn ein Schill kann vielleicht einmal Wähler verzaubern, nicht aber Probleme verschwinden lassen wie ein Kaninchen im Hut. Das haben zwar alle gewusst, aber doch eigentlich doch auch nicht wissen wollen. Schill hat davon abzulenken versucht auf politisch niederträchtige Weise, durch Fantastereien, vor allem aber durch Pöbeleien, sogar im Bundestag, schließlich mit einem Angriff auf die Ehre Ole von Beusts, mit dem er sich bis zum letzten Tag duzte. Auch hat er sein Amt zur Patronage genutzt, nicht nur wie alle anderen auch, sondern schamloser, so gesehen: konsequenter. Diese Auftritte haben bürgerliche Wähler verschreckt und leiteten Schills Absturz aus dem Prozenthimmel ein. Machtlos ist er geworden, ihm bleibt nicht mal mehr Zerstörungskraft. Aber ganz verschwunden ist er noch nicht, anders als seine alte Partei.

Zum Aufstieg Schills trug damals auch ein Großteil der Hamburger Presse nach Kräften bei. Sie verhalf ihm zur Akzeptanz, sie bot ihm die Bühne, sie ließ sich wie andere auch faszinieren und verbrämte das alles als demokratischen Akt. Am Sonnabend schrieb die größte Hamburger Zeitung, die diesmal, nach den oben beschriebenen Erfahrungen, wieder ganz allein auf die CDU setzt, von Schill habe man im Wahlkampf „so gut wie nichts“ gehört. Das trifft zu, wenn man ausschließlich Leser jener Zeitung ist. Wer jedoch die Ohren nicht verschließt vor dem, was sich abseits der Elbchaussee, des Jungfernstiegs und Ottensens alles noch so erzählt wird, der hat dieselbe Wut und dieselbe Verzweiflung gehört wie vor zweieinhalb Jahren und der hat auch die Stimme Ronald Schills gehört. Hunderte, zuweilen Tausende kamen zu seinen Wahlkampfauftritten; darüber zu lesen war wenig bis nichts, aber der Herr war ziemlich real – es gab reichlich Bier und Gebrüll. Manchem reicht das. Und für Schill hätte das fast gereicht.

Leute wie Schill kommen und gehen. Man wird sie nicht für immer los. Man kann nur versuchen, sie möglichst selten zum Ausbruch kommen zu lassen. Sie aber einzubinden, wie von Beust es tat, gehört sich nicht für Parteien, die Achtung haben vor sich selbst – und vor den Menschen, deren Vertrauen sie zu gewinnen einst angetreten sind. Einen Scharlatan sich entzaubern zu lassen, dem ohnehin die Substanz fehlt, dafür ist ein Rathaus kein angemessener Platz.

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