Von Peter Tiede: Brandenburger Rundweg
In der Stasi-Debatte handelt die Politik unredlich – eine politische Aufarbeitung tut Not
Stand:
In der neu aufgeflammten Debatte um die Stasi-Belastung der brandenburgischen Polizei gehören zunächst ein paar Dinge geradegerückt – und zwar noch bevor es die Politik in Brandenburg wieder schafft, zu suggerieren, dass es a) kein Problem gibt oder aber b) es sich bei dem Problem um eine politisch motivierte Kampagne handelt oder c) außerhalb Brandenburgs irgendwelche dunklen Mächte existieren, die dem Land zwischen Oder und Elbe nur Böses wollen. Also zur Klarstellung: Bisher behauptet niemand, dass die Polizei des Landes von Mielkes alten Geheimdiensttruppen komplett durchsetzt ist. Niemand stellt „die Polizei“ oder „die Polizisten“ unter irgend einen Verdacht, geschweige denn unter einen generellen. Niemand will alle Polizisten neu überprüfen lassen.
Dass Brandenburgs Linken-Chef Thomas Nord gar von einer politischen Kampagne gegen die Polizisten spricht, ist so schlicht, dass sich Grübeln eigentlich verbietet.
Dass Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zu dem Thema beisteuert, der Umgang mit der Stasi-Vergangenheit in Brandenburg sei sinnvoll und richtig gewesen, bei der Überprüfung der Polizisten vor ihrer Übernahme in den Landesdienst seien an keiner Stelle ganze Seilschaften am Werk gewesen, fiele unter die Linkenchef-Nord-Rubrik, wenn es nicht vom Regierungschef käme und nicht so dreist wäre. Denn: Niemand hat hier ganze Seilschaften geortet. Und die Feststellung ist einfach: falsch. Oder hat die damalige brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) etwa verkehrt gehandelt, als sie härtere Maßstäbe an die Demokratie-Tauglichkeit der zu übernehmenden Lehrer legte, als der damalige Innenminister Alwin Ziel (SPD) an die Polizisten?
Aus der Perspektive des Jahres 1991 kann man Platzeck noch folgen. Damals war der sogenannte Brandenburger Weg Konsens in der Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnis90/Grüne. Das Land war dabei, sich zu gründen, vieles war ein Provisorium, viele Akten lagen noch nicht vor, viele Erfahrungen waren noch nicht gemacht.
Sich aber im Jahre 2009 hinzustellen, und einfach zu behaupten, alles habe seine Richtigkeit mit der Überprüfung der Polizei gehabt (die ja nie systematisch und auch nicht auf Wiedervorlage erfolgte), ist geschichts-ignorierend. Politisch ist es sogar frech: Denn von einem Regierungschef darf man erwarten, dass er diese These vorher einer Überprüfung unterzieht.
So aber bleibt der Eindruck, hier wolle sich jemand einer einfachen Wahrheit und den Konsequenzen daraus verweigern: Die Kommission, die damals darüber beriet, wer in Brandenburg Polizist werden darf und wer nicht, die war leider wohl doch teils besetzt mit alten Stasi-Zuträgern – mindestens zwei, vermutlich gar drei von fünf Mitgliedern stehen unter dem Verdacht, einst inoffizielle Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes MfS gewesen zu sein.
Niemand sagt, dass diese Kommissionsmitglieder sich bei ihren Urteilen von ihren eigenen Verstrickungen haben leiten lassen. Niemand sagt, dass sie seilschaftengleich alte Kameraden gezielt durch die Maschen haben schlüpfen lassen. Aber die Möglichkeit besteht. Der Verdacht ist da.
So muss nun nicht die Vergangenheit aller märkischen Polizisten aufgearbeitet werden. Aber im 19. Jahr seiner Existenz muss sich dieses Brandenburg seiner eigenen Vergangenheit stellen, muss sich die Politik selbst überprüfen. Die Arbeit der Kommission, die 1991 zur Personalüberprüfung der Polizei eingesetzt wurde, gehört nach historischen Gesichtpunkten überprüft. Den „Bürger auf der Straße“ muss das nicht mehr interessieren, Platzeck vielleicht auch nicht. Aber im ureigensten Interesse eines jeden Landtagsabgeordneten sollte genau dies liegen – schließlich war es eine Parlamentskommission.
Das wird schwer. Schließlich muss sich die Platzeck-Generation der Aufarbeitung der Stolpe-Zeit stellen – deren Teil Platzeck als Umweltminister unter dem in IM-Verdacht stehenden Manfred Stolpe war. Und am Ende wird sich dieses politische Brandenburg bei all denen entschuldigen müssen, die Opfer der Stasi waren und die darunter leiden, dass Täter/Mittäter von einst weitgehend ungeprüft in dieser Demokratie unterkamen.
Die Offenheit ist zwingend. Die Größe sollte man haben.
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