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Wasserverträge: Bürgersinn ohne Wut

Beim Volksentscheid hat der Bürgersinn über eine Politik-Maschinerie gesiegt, deren Akteure allzu oft geneigt sind, die naheliegende Lösung für alternativlos zu erklären. Mit dieser Haltung hat sich der Apparat in Berlin verkalkuliert.

Auf den ersten Blick sah es so aus, als habe sich in Berlin wieder einmal der Wutbürger gezeigt, jene Spezies, die neuerdings den diffusen und oft unreflektierten Zorn über „die da oben“ in wirkungsstarken Aktionen bündelt. Denn wie sonst hätte ein vermeintliches Verliererthema, eine papierne Auseinandersetzung um die Offenlegung von Verträgen der Wasser-Privatisierung, derart durchdringen können? Und hatte nicht der Senat durch die Veröffentlichung eben dieser Verträge dem Ganzen ohnehin die Spitze genommen?

So weit die Theorie. In der Praxis ist das Gegenteil passiert: Bürgersinn hat gesiegt über eine Politik-Maschinerie, deren Akteure nur allzu oft geneigt sind, die naheliegende und nach Aktenlage machbare Lösung für alternativlos zu erklären, egal, welcher politischen Richtung sie angehören. Mit dieser Haltung hat sich der Apparat in Berlin offensichtlich verkalkuliert. Einerseits einfach, weil es um den Geldbeutel absolut jedes einzelnen Bürgers ging. Andererseits aber und grundsätzlicher, weil das Gefühl, die elementare Daseinsvorsorge dürfe nicht an den meistbietenden Marktakteur verscherbelt werden, längst die Privatisierungseuphorie des ausgehenden 20. Jahrhunderts abgelöst hat.

Der anfangs so spröde Wasser-Volksentscheid hat sich dabei als perfekte Blaupause einer erfolgreichen Strategie erwiesen. Entscheidend war, dass er sich nahezu jeder parteipolitischen Einflussnahme entzog und damit eine klare Stoßrichtung gegen die etablierte Politik entwickeln konnte – das war bei den gescheiterten Entscheiden zu Tempelhof und Pro Reli ganz anders, weil auf beiden Seiten Bürger und Politiker gegen Bürger und Politiker standen. Beim Wasser dagegen blieb die Meinungsmacht der Aktivisten und ihres schweigenden Gefolges ganz unangefochten – der Berliner war entweder für sie oder gleichgültig, und deshalb fiel die Zahl der Gegenstimmen auch so verschwindend gering aus.

Ein weiterer Aspekt war die soziale Balance des Wasser-Volksentscheids. Teures Wasser erregt Arbeitslose, die sich den Preis jeder einzelnen Dusche ausrechnen, aber auch Laubenpieper und Villenbesitzer, die einen durstigen Garten zu pflegen haben. Und schließlich blieb das Thema gänzlich frei von den notorischen Ost-West-Ressentiments, die die Sache oft genug überlagern. Denn Tempelhof und Pro Reli waren beide auf ihre Weise Nachhutgefechte um die Hoheit der Geschichtsdeutung und den Wesenskern des alten West-Berlins. Und schon damit kaum geeignet für satte Mehrheiten in der Gesamtstadt.

Dennoch hat vermutlich der Senat selbst den entscheidenden taktischen Fehler begangen, indem er das Vertragswerk mit den Privaten kurz vor Schluss veröffentlichte. Denn dieser Schritt wurde draußen zu Recht nicht als Nachgeben verstanden, sondern als Trick mit dem Ziel, den Volksentscheid ins Leere laufen zu lassen und seine Fortwirkung für zukünftige Verträge zu verhindern.

Dass eben jene Politiker nun flink die Richtung wechseln und sich artig für die Unterstützung ihres ureigenen, leider bisher dummerweise nicht durchdringenden Anliegens bedanken, ist zunächst nur ein weiteres taktisches Manöver. Für die Glaubwürdigkeit des Senats wird entscheidend sein, ob und mit welcher Intensität er den deutlich dokumentierten Bürgerwillen umsetzt – ohne juristische Winkelzüge und mit dem erklärten Ziel, das Berliner Wasser wieder zu einem preisgünstigen, transparent kalkulierten Lebensmittel zu machen.

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