Polen: Chefhistoriker
Es klingt aus Polen so merkwürdig unsouverän herüber, dass man sich an alte Kaczynski-Zeiten erinnert fühlt. Die Polen würden von den Deutschen als Hitlers Helfer diffamiert, so ist zu hören, statt als historische Vorreiter der Ereignisse von 1989 gepriesen zu werden – als ob man das eine gegen das andere aufrechnen könne.
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Es klingt aus Polen so merkwürdig unsouverän herüber, dass man sich an alte Kaczynski-Zeiten erinnert fühlt. Die Polen würden von den Deutschen als Hitlers Helfer diffamiert, so ist zu hören, statt als historische Vorreiter der Ereignisse von 1989 gepriesen zu werden – als ob man das eine gegen das andere aufrechnen könne. Dass die polnische Leistung bei der Befreiung Osteuropas vom Kommunismus im Westen oft unterspielt wird, ist sicher richtig und hängt nicht zuletzt mit einer Politik des Westens zusammen, die im Kalten Krieg in Osteuropa kaum anders als Appeasement verstanden werden konnte. Fest steht: Ohne die Befreiungsbewegungen in Polen (und anderswo in Osteuropa) wäre es zur deutschen Einheit so nicht gekommen. Doch glaubwürdig können die Polen die Rolle als das historischen Gedächtnis Europas nur spielen, wenn sie auch die Schattenseiten ihrer eigenen Vergangenheit betrachten. Wer in der „Spiegel“-Geschichte über die polnischen Helfer bei der Vernichtung der Juden Osteuropas lediglich den Versuch der Deutschen sehen will, sich ihrer Schuld auf Kosten der Polen zu entledigen, der macht es sich als Chefhistoriker Europas zu leicht. mos
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