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Meinung: Da hilft nur Mut

Das Attentat von Hamburg: Wie liberal ist Großstadt?

Das ist nicht Amerika. Hier müssen nicht Gullydeckel verschweißt werden oder Sicherheitsleute mit Waffen und Walkie-Talkies den Politiker auf allen seinen Wegen begleiten. So weit sind wir noch lange nicht. Man könnte aber meinen, wir seien in Schweden. Denn das Attentat auf den Hamburger Innensenator Roger Kusch geschah mit einem Messer, und Kusch war ohne Sicherheitsleute unterwegs. Das erinnert an den Fall Anna Lindh, an die beliebte schwedische Außenministerin, die niedergestochen wurde und an den Folgen starb. Kusch wurde – gottlob – nur am Bein verletzt und konnte selbst einen Arzt aufsuchen. Und dennoch gilt, dass er, wie jetzt mancher sagen könnte, dem Leben ausgeliefert war.

Die Frage ist nun, ob ein Politiker das nicht mehr darf, sich wie alle anderen in der Normalität bewegen. Die Antwort fällt theoretisch leicht: Nur wenn der Politiker mitten im Leben steht und Kontakt zur wahren Wirklichkeit hält, wird er der Volksvertreter sein, der er qua Amt sein soll. Doch ersetzt das eben andererseits in der Praxis die fortwährende Gefahrenanalyse nicht. Womit wir in diesem Falle bei dem Selbstbild der liberalen Großstadt wären. Und bei der Erkenntnis, dass schon Spurenelemente der Intoleranz – wie sie auch in der Hamburger Politik zu sehen waren, ja als regierungsfähig galten – ausreichen, dieses Bild nachhaltig zu beeinträchtigen. Denn Roger Kusch ist schwul, und die Frau, die ihn attackierte, gibt vor, ihn deshalb angegriffen zu haben.

Das wird, besser: das muss Konsequenzen für den Wahlkampf haben. Richtig ist zwar, dass es, leider, die absolute Sicherheit nicht geben kann. Immer wird es soziale Brennpunkte geben, und manchmal verwirrte Menschen, die einen Sicherheitskordon durchbrechen. Oskar Lafontaine, der vor Jahren im Bundestagswahlkampf das Messerattentat einer Frau nur knapp überlebte, oder Wolfgang Schäuble zeugen davon. Wichtig ist aber in allen Fällen, dass sich die Politik nicht einschüchtern lässt. Durch Sicherheit für den Bürgermeister Ole von Beust zum Beispiel, der sich zum Schwulsein bekannt hat, durch die Themensetzung aber auch. Nach dem Motto: Kampf der Intoleranz! Hamburg hat nun in diesem Sinn eine Chance, Liberalität nachzuweisen – im Ergebnis bei der Wahl zur Bürgerschaft in 16 Tagen.

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