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Meinung: Das Duell um die Macht: Bündnis für Mitbestimmung

Hinter den Aufruf konnte sich fast die ganze Republik stellen: "Deine Stimme für Arbeit und soziale Gerechtigkeit." So wandte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund vor vier Jahren ans Wahlvolk.

Hinter den Aufruf konnte sich fast die ganze Republik stellen: "Deine Stimme für Arbeit und soziale Gerechtigkeit." So wandte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund vor vier Jahren ans Wahlvolk. Der DGB warb mit der acht Millionen Mark teuren Kampagne im Bundestagswahlkampf explizit für einen Politikwechsel, für Gerhard Schröder und Rot-Grün. DGB-Chef Dieter Schulte damals: "Der nächste Bundeskanzler muss ein ehrliches, tragfähiges und vor allem wirkungsvolles Bündnis für Arbeit schließen." Und Schulte heute, in Richtung Häuptling ruhige Hand: "Wer jetzt die Hände in den Schoß legt und auf den Aufschwung wartet, der hat verloren."

Die Gewerkschaftsbosse werden nervös. Sie sind unzufrieden mit dem Arbeitsmarkt, sie fühlen sich verschaukelt von den Arbeitgebern, sie werden getrieben von hohen Lohnerwartungen ihrer Mitglieder, und sie sind keineswegs zufrieden mit der Bilanz ihres Genossen Schröder. Bis auf Verdi-Chef Frank Bsirske, der den Grünen angehört, sind alle wichtigen Gewerkschaftsführer SPD-Mitglieder. Deshalb ist die Frage "Stoiber oder Schröder" für sie nur eine theoretische Frage. Auch die übers Wochenende jäh aufkeimende Sympathie mancher Gewerkschafter für Kombilöhne ist im Kontext des Wahlkampfauftakts zu sehen. An der IG Metall, der IG Chemie, Verdi und dem DGB soll Schröders Wahlkampf nicht scheitern.

Aber vielleicht seine Wiederwahl. Wenn Schröder gegen Stoiber verliert, dann wegen der Arbeitslosenzahl. Nun kann der Bundeskanzler weder robustes Wachstum noch Ausbildungs- und Arbeitsplätze aus dem Hut zaubern. Aber zur Aufgabe der Politik gehört die Beeinflussung der Akteure in der Wirtschaft, der Unternehmer und Arbeitnehmer, der Verbände und Gewerkschaften. Das Bündnis für Arbeit sollte den unbürokratischen Rahmen abgeben für verbindliche Absprachen zum Arbeitsmarkt.

Diese Lieblingskungelrunde des Kanzlers ist im Großen und Ganzen gescheitert; immerhin gab es Zusagen der Arbeitgebervertreter zu mehr Ausbildungsplätzen, und die Gewerkschaften ließen sich auf maßvolle Tarifabschlüsse verpflichten. Doch das war 1999/2000. Schröders schönes Kalkül, dass nach einer zweijährigen Ruhe an der Tariffront, dass nach einer Stärkung der Kaufkraft durch Steuerreform und Kindergelderhöhung und nach einer steuerlichen Entlastung der Unternehmen die Wirtschaft im Wahljahr brummt - dieses Kalkül geht nicht mehr auf.

Im Gegenteil. Die Gewerkschaften sind sauer, weil die Unternehmen ihre Lohnzurückhaltung nicht mit zusätzlichen Stellen honorierten und fordern nun bis zu 7,5 Prozent mehr Lohn. Eine harte Tarifauseinandersetzung könnte der schwachen Konjunktur den Rest geben - und Schröder auch.

Aber vielleicht zieht der Meister am 25. Januar doch noch eine Karte, die Arbeitgeber und Gewerkschaften zum Mitspielen verpflichtet. Dann, kurz vor der Tarifrunde in der Metallindustrie, gibt es wieder mal ein Treffen im Bündnis für Arbeit. Ein ganz schwieriger Termin für die Gewerkschaften, die ihren Kanzler alles in allem behalten wollen und ihm mit einem Erfolg am Bündnistisch einen guten Start ins Wahljahr verschaffen könnten. Dass wird den eigenen Leuten aber nur zu verkaufen sein, wenn sich - zum Beispiel - die Arbeitgeber auf viel weniger Überstunden festlegen.

Keine Illusionen sollten sich die Arbeitnehmervertreter über die Zeit nach dem 22. September machen. Ob Stoiber oder Schröder - der nächste Bundeskanzler kommt an der Reform des Arbeitsmarktes nicht vorbei. Die Kombilöhne sind ein vernachlässigbares Schräubchen im arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkasten, der im nächsten Jahr aufgemacht werden muss. Ob mit oder gegen die Gewerkschaften.

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