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Meinung: Das Recht zu streiten

„Der Fall Kurnaz“ von Malte Lehming vom 22. Januar Der Autor hat recht: Was Kurnaz in Guantanamo zugefügt wurde, ist empörend und unvorstellbar.

„Der Fall Kurnaz“ von Malte Lehming

vom 22. Januar

Der Autor hat recht: Was Kurnaz in Guantanamo zugefügt wurde, ist empörend und unvorstellbar. Aber der wirkliche Skandal ist die Existenz eines solchen Lagers, das in jedem Rechtsstaat verfassungswidrig wäre. Sowohl die vorige als auch die jetzige Bundesregierung trifft der Vorwurf, Guantanamo jahrelang geduldet und durch die Entsendung sogenannter Befragungsteams deutscher Geheimdienste sogar aktiv unterstützt zu haben. Nach Meinung des Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses Siegfried Kauder kann der Fall Kurnaz „nicht ohne Konsequenzen bleiben“. Meint er damit auch die Bundeskanzlerin, die Bush, dem Erfinder dieser rechtswidrigen Folteranstalt, bei seinem Besuch in Stralsund die Verteidigung „gemeinsamer Werte“ bescheinigt hat?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bartsch,

Strasbourg

Bis heute ahnte ich nicht, dass ich womöglich ein unehrenhafter, gesinnungs- und charakterloser Mensch bin, ein „Lump“ also. Herr Lehming ist bereit, dies bei Vorliegen einer einzigen kleinen Voraussetzung nur (die er auch noch selber setzt), zu behaupten.

Nach meinen Erkenntnissen zum „Fall Kurnaz“ sind hier zwei wesentliche Aspekte zu unterscheiden und zu trennen: 1. Wenn sich die Aussagen von Herrn Kurnaz bewahrheiten, ist ihm schlimmes und unentschuldbares Unrecht geschehen. Soweit Deutsche (gar deutsche Soldaten) in Kandahar daran beteiligt sind, müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden. 2. Das Eingesperrtwerden in Guantanamo haben nicht der deutsche Staat und seine Regierung zu vertreten. Ich erspare mir hier, wieder auf die amerikanische Regierung einzuhauen. Die Frage jedoch, die hierzulande zum Skandalon zusammengezogen wird, ist eine andere: Ist die deutsche Regierung, so denn von der amerikanischen Regierung ein eindeutiges Signal zur Freilassung von Herrn Kurnaz im Jahr 2002 ausging, verpflichtet gewesen, Herrn Kurnaz mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln freizubekommen und wieder nach Deutschland einreisen zu lassen? Ich meine, dies wäre rechtlich nur der Fall gewesen, wenn Herr Kurnaz zum damaligen Zeitpunkt deutscher Staatsbürger gewesen wäre. Wäre er türkischer Staatsbürger gewesen, hätte sich in erster Linie der türkische Staat um seine Freilassung bemühen müssen. Dass sich aus allgemein humanitärer Sicht auch der deutsche Staat für dessen Freilassung einsetzen sollte, steht auf einem anderen Blatt.

Aber gerade diese rechtliche Würdigung kommt mir in der aufgeschäumten Diskussion zu kurz. Und da beginnt die Fragwürdigkeit oder – je nach Ansicht – Frechheit des Kommentars: Jeder wird mitfühlen mit dem schlimmen Schicksal von Herrn Kurnaz. Eine mit anscheinend höchster Kompetenz von Herrn Lehming geforderte Entschuldigung und gar hohe Entschädigung („steht außer Frage“!) wohl deutscher Regierungsstellen steht aber sehr wohl in Frage, wenn es sich bei Herrn Kurnaz um einen türkischen Mitbürger in Deutschland handelt.

Das Recht, darüber zu streiten, werde ich mir jedenfalls auch nicht von Herrn Lehming nehmen lassen. Auch wenn er mich weiter einen Lump heißt.

Jürgen Krüger, Berlin-Charlottenburg

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