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Kriegsverbrechen: Das Vermächtnis von Srebrenica

Der serbische General Ratko Mladic wird nach Den Haag überstellt – endlich. Dass die Suche so lange dauerte, ist Ausdruck eines bis heute zerrissenen Landes, in dem General Mladic bei vielen immer noch als Volksheld gilt.

Man tut sich schwer, es das Ende einer Flucht zu nennen. Es bleibt: Nach 15 Jahren im Untergrund ist der „Schlächter vom Balkan“, der Mann, der nach den Verbrechen der Nazis den Genozid zurück nach Europa brachte, endlich gefasst. Gefangen in einem Dorf, wo er friedlich lebte und grillte, wie private Fotos zeigen. Auch Massenmörder, das lehrte schon Adolf Eichmann, kommen als Kleinbürger daher. Nach Slobodan Milosevic, nach Radovan Karadzic, können die Angehörigen der Opfer hoffen, dass nun auch Ratko Mladic vor Gericht zur Verantwortung gezogen wird.

Rund 10 000 Polizisten und Geheimdienstler hätten tagtäglich nach dem flüchtigen Serben-General gesucht, behaupten serbische Behörden. Wer soll das glauben? Am Willen, den flüchtigen Kriegsverbrecher festzusetzen, hat die europäische Gemeinschaft wiederholt gezweifelt, erst vor wenigen Tagen hatte EU-Ratspräsident Manuel Barroso erhöhte Anstrengungen angemahnt. Auch der Chefankläger des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag beklagte eine nur halbherzige Suche.

Dass die Suche so lange dauerte, ist Ausdruck eines bis heute zerrissenen Landes, in dem General Mladic bei vielen immer noch als Volksheld gilt. Erst vor einem Jahr rang sich das Parlament in Belgrad zu einer Entschuldigung für die Ermordung von 8000 Muslimen in Srebrenica durch; doch das Wort „Genozid“ fehlte. Populismus und Nationalismus haben die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal behindert und die Selbstisolation des Landes verfestigt. Auch das Schicksal des ermordeten Präsidenten Zoran Djindjic, der seinen Vorgänger Milosevic an das Tribunal übergab, wirkte nach. Wie auch bei der ebenfalls erst nach 14 Jahren erfolgreichen Suche nach Karadzic ist davon auszugehen, dass einigen politisch Verantwortlichen der Aufenthaltsort von Mladic bekannt war.

Eine nicht unbeträchtliche Rolle beim plötzlichen Fahndungserfolg dürfte in dem verarmten Land wirtschaftlicher Druck gespielt haben. Durch die Isolation gehen Belgrad jährlich EU-Zuwendungen in Milliardenhöhe verloren, während sich seine Nachbarn immer stärker integrieren. Trotzdem ist Mladics Auslieferung auch ein weiterer Schritt der serbischen Gesellschaft zur Aufarbeitung des Völkermords. Dieser bleibt eine nachwirkende Schande: Es waren UN-Truppen unter Leitung eines holländischen Militärs, die den Völkermord unter ihrer Aufsicht zuließen und Sekt mit Mladic tranken, während Kinder und Alte, Frauen und Männer unter ihren Augen ermordet wurden.

Das Massaker von Srebrenica enthält ein Vermächtnis für die Weltgemeinschaft: das Ende der Straffreiheit für die Mörder mit staatlichem Auftrag. Die Welt erlebt eine Epoche der Tribunale, ob gegen Massenmörder aus Serbien, Ruanda oder Kambodscha – ein Erfolg des internationalen Gerichtshofs. Die Festnahme Mladics ist zudem ein Schritt der Versöhnung mit Serbiens Nachbarn. Auch in deutschem Interesse – im Kosovo sind immer noch fast 2000 Bundeswehr-Angehörige stationiert.

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