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Berlinale: Demo eines Festivals

Es ist gut, dass die Berlinale politisch Zeichen setzt – für den iranischen Filmemacher Jafar Panahi und andere.

Sie will schrill klingen, diese Nachricht in letzter Minute, und tönt doch nur leise: Berliner Autonome könnten das Rampenlicht der Berlinale nutzen, um ihren Frust über die Häuserräumung in Friedrichshain zu artikulieren. Will sagen: In Worten oder Taten. Mit Protest oder auch Randale.

Absonderlicher als sonst wirkt sie, diese Demo-Begleitmusik vor Beginn einer Berlinale. Denn das Filmfestival demonstriert ja selber, in ungleich größerem Maßstab. Nicht nur, weil es sich traditionell als politisch versteht, setzt es in seinem Programm entsprechende Zeichen, sondern weil der Erdball sich in mehreren Regionen politisch heftig entzündet – und die Berlinale davon betroffen ist.

Wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird die Jury der 61. Berlinale heute ohne Jafar Panahi zusammentreten, den iranischen Filmemacher, der nach dem Willen des Regimes sechs Jahre ins Gefängnis soll und 20 Jahre lang nicht arbeiten, nicht öffentlich reden, nicht reisen darf. Es spricht damit ein künstlerisches Todesurteil. Und das nicht etwa wegen eines fertigen Films, der den Unmut der Diktatur ausgelöst hätte, sondern wegen der bloßen Idee dazu.

Das Festival nun demonstriert für Jafar Panahi, mit Vorführungen seiner Filme in allen Reihen, mit Diskussionen, es setzt solidarische Zeichen, dass die Welt sich die – auch politische – Bilderwelt von Künstlern nicht verbieten lässt. Es demonstriert mit seinen Mitteln gegen den Anschlag auf die individuelle Freiheit eines Filmemachers. Und der ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Freiheit der Kunst – und die Freiheit überhaupt.

Nun gibt es Leute, die sagen: Macht man damit die Bedingungen für Dissidenten nicht nur noch schlimmer? Gegenfrage: Was erreicht man mit Schweigen? Weltweiter Protest beim Festival in Cannes letztes Jahr hat geholfen, Panahi, der sein Land nicht verlassen will, schon einmal aus der Untersuchungshaft zu befreien.

Es ist gut, dass kulturelle Institutionen dort klar Flagge zeigen, wo die Diplomatie verständlicherweise Kreide frisst. Es ist gut, dass die Berlinale sich für Panahi stark macht. Dass sie einen Film über den mit fadenscheinigen Gründen zu 14 Jahren Haft verurteilten Putin-Widersacher Michail Chodorkowski ins Programm nimmt. Dass sie öffentlich darauf hinweist, wie das chinesische Regime Filmemacher einschüchtert, die zum Festival nach Berlin reisen wollen. Ein Regime übrigens, das seinen Friedensnobelpreisträger, den Schriftsteller Liu Xiaobo, weggesperrt hat, für elf Jahre.

Überall auf der Welt, zuletzt in Ägypten, brechen Menschen unter Lebensgefahr in die Freiheit auf, überall auf der Welt gibt es so morsche wie brutale Regimes, die ihren Einsturz verdienen. Sie sollen wissen, dass sie unermüdlich unter Beobachtung stehen. Wenn die iranischen Machthaber am morgigen 11. Februar den 32. Jahrestag ihrer islamischen Revolution feiern, zeigt die Berlinale, bevor ihr schöner Rummel losgeht, den Film „Offside“: Damit gewann Jafar Panahi vor fünf Jahren den Silbernen Bären. Besser könnte das Festival nicht beginnen.

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