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Meinung: Der Erfolg hat seinen Preis

Die Tötung von Rantisi schwächt Hamas militärisch – und Israel moralisch

Abdel Asis Rantisi ist genauso gestorben, wie er es sich gewünscht hat. Doch ob seine Tötung wünschenswert war, ist eine Frage, über die sich die Geister scheiden.

Seine Liquidierung war – nach derjenigen des Hamas-Gründers Scheich Ahmed Jassin – bis letzte Woche logisch. Seitdem der amerikanische Präsident George W. Bush dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon im Rahmen seiner Zustimmung zu dessen einseitigem Loslösungsplan absolute Handlungsfreiheit in der Terrorbekämpfung zugestanden hat, war Rantisis Tötung unausweichlich. Bis dahin war er ein Mann des baldigen Todes.

Die Todesstrafe ist verwerflich, die staatliche Tötung ohne Gerichtsurteil unakzeptabel – der Kampf gegen den Terrorismus muss kompromisslos geführt werden, will er erfolgreich sein. Rantisi gehörte zwar seit jeher der politischen Führung von Hamas an, doch vertrat er in dieser immer die extremistischste Linie, lehnte jede politische Lösung des Konfliktes ab, predigte Gewalt gegen Juden und Israel, terrorisierte auch seine eigenen Leute. Rantisi war ohne Frage ein Spitzenterrorist.

Unzählige Mal hatten die Israelis, aber auch die palästinensischen Behörden Rantisi verhaftet und inhaftiert, doch immer und immer wieder kehrte er auf seinen von blutigen Massakern, aber auch brutalem internem Kampf gegen gemäßigtere Elemente gekennzeichneten Weg zurück. Wie anders als mit seiner gezielten Tötung hätte man ihn ausschalten können?

Rantisis Liquidierung ist aber auch eine voraussehbare Konsequenz von Scharons Loslösungsplan: Bis dessen Verwirklichung Ende kommenden Jahres werden Israels Regierung und Armee versuchen, die Machtübernahme durch Hamas im entstehenden Vakuum im Gazastreifen zu verhindern. Eine kopflose Islamistenbewegung – die mit Jassin und Rantisi ohne charismatische Führung dasteht – ist unfähig politisch auf Arafat Druck auszuüben. Sie ist aber auch nicht mehr in der Lage, Israel militärisch, also mittels Terror, längerfristig auf bisherigem Niveau zu bekämpfen.

Anderseits: Eine Widerstandsbewegung, und Hamas ist eine Widerstandsbewegung mit teroristischen Mitteln, konnte noch nie durch die Tötung ihrer Führung völlig ausgeschaltet werden. Doch ist schon jetzt klar, dass Rantisis Ausschaltung Scharon auf seiner Suche nach einer innenpolitischen Mehrheit für seinen Rückzugsplan weiterhalf – wie die Stunden nach der Ermordung erfolgte entscheidende Zustimmung Benjamin Netanjahus beweist.

Die Tatsache, dass seit Jassins Tötung Hamas keinen großen Anschlag mehr verüben konnte, und dass Abdel Rantisi trotz unzähliger israelischer Drohungen und Ankündigungen, trotz ständiger Flucht und Leben im Untergrund, den Tod fand, gibt Scharons Taktik Recht – ob man diese befürwortet oder nicht: Die gezielten Liquidierungsaktionen gegen ihre Führer lähmen Hamas, vermindern die Terrorgefahr, schwächen auch die palästinensische Opposition gegen jede Verhandlungslösung.

Ob durch all dies die Liquidierungspolitik Israels gerechtfertigt ist, der nun wieder der Hamas-Führer zum Opfer gefallen ist, bleibt letztlich keine militärische oder politische, sondern eine moralische Frage. Doch Moral und Politik gehören im Nahen Osten genauso wenig zusammen, wie Humanität und der Kinderarzt Dr. Rantisi.

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