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Eine Affäre um die Moral: Der Fall Gelbhaar und der Grünen-Wahlkampf
Belästigungsvorwürfe, die unwahr sind, und die Bundesparteiführung tut nicht genug, um die Wunden zu heilen. Der Kandidat an der Spitze auch nicht. Das macht kein gutes Bild.

Stand:
Und das bei den Grünen. Der Partei, die für sich in Anspruch nimmt, stets das Gute, das Bessere zu wollen. Der Berliner Fall Gelbhaar spricht nicht nur dagegen – er kann das ganze Gerüst des Wahlkampfs bundesweit erschüttern.
Der Fall Gelbhaar: Belästigungsvorwürfe, die gegen den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar aus der eigenen Partei erhoben worden waren – unwahr. Die Opfer-Identitäten – mindestens teilweise gefälscht. Aber Gelbhaar haben sie politisch alles gekostet. Das Parlament ist für ihn verloren.
Sage niemand, das sei nur eine Berliner Provinzangelegenheit. Das versucht die Bundesparteiführung zwar, vor allem, um ihren Spitzenkandidaten Robert Habeck zu schützen. Aber damit wird sie nicht durchkommen.
Alle sind sie einbezogen, die Ombudsstelle, die Bundesgeschäftsstelle, der Bundesvorstand. Ihm wurde der Rückzug von der Bundestagswahlliste, ja, wie sagt man? Nahelegt.
Die Partei der höheren Moralität tut zu wenig, dieser Selbstsicht gerecht zu werden.
Stephan-Andreas Casdorff
Dass Habecks Wahlkampfmanager Andreas Audretsch davon profitiert hat – ein Schelm, der Böses dabei denkt. Er sagt: Nein! Ganz entschieden. Ob das die aufgebrachte Partei beruhigt?
Die Partei ist sowieso wegen des Wahlkampfs, wie er sich gerade darstellt und Audretsch ihn zumindest mitverantwortet, aufgebracht. Sozialversicherungsbeiträge auf Zinserträge: Wer soll das verstehen? Eher keiner von den Wählern der Mittelschicht, die die Grünen gewinnen wollen. „Zuversicht“, mit Habecks Gesicht großflächig plakatiert, sieht anders aus.
Die Christsozialen werden sich bestätigt sehen
Was ist das für ein Umgang mit dem Fall, der anders als gedacht zur Affäre wird? Die Partei der höheren Moralität tut zu wenig, dieser Selbstsicht gerecht zu werden. Jedenfalls tut sie nichts, die geschlagenen Wunden zu heilen. Der Name Stefan Gelbhaar wird von den Parteivorderen ja nicht einmal genannt.
Der Rücktritt und Austritt der Bezirksverordneten kann nicht die einzige Antwort bleiben. Da muss noch mehr kommen, an parteiinterner Aufklärung und an Konsequenzen. Denn Moral ist eine Haltung, nicht bloß eine Frage der Gelegenheit. Würde dieser Eindruck jetzt in der Öffentlichkeit hängen bleiben, wäre es fatal. Für Berlin und darüber hinaus.
Wenn die Grünen den anderen Parteien, voran den Christsozialen, einen Grund geben wollten, nicht mit ihnen zu koalieren – da ist er. „Bündniskanzler“ Habeck, das schon in der Art seiner Verbreitung beargwöhnte Plakat, wird so erst zur Anmaßung. Der Wahlkampf der Grünen gerät ins Wanken.
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