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Meinung: Der Fotograf Sander war Demokrat

Betrifft: „Der Präparator des 20. Jahrhunderts“ vom 3.

Betrifft: „Der Präparator des 20. Jahrhunderts“ vom 3. Januar 2004

Leider tappt Ihre Autorin sehr oft im Dunkeln. Die Fotos von August Sander und seine Zeit haben eine bessere und vor allem kenntnisreichere Betrachterin verdient. Bestimmt wäre dann auch keine ganze Seite für diesen Text nötig gewesen.

Die fotohistorische Bedeutung dieser Porträts ist sehr groß: Für fast alle PortraitFotografen steht August Sander an erster Stelle als geistiger Vater. Darum ist es notwendig, die Werkschau seines Vermächtnisses kritisch zu betrachten. Dies will die Autorin tun und den Leser überzeugen, dass die Portraits von August Sander uns erschrecken. Mich erschrecken sie nicht. Im Gegenteil: Sie machen mir Mut.

August Sander hat seine Arbeit vor dem Ersten Weltkrieg angefangen und ihm unbekannte Menschen portraitiert. Seine Fotografie gewichtet nicht und hebt niemanden besonders hervor. Daher die Entscheidung für einen sehr reduzierten Hintergrund, der oftmals studioähnlich anmutet. Hätte Frau Hanika die Bilder gut betrachtet, wäre ihr aufgefallen, wie oft August Sander mit seiner schweren Großbildkamera mitsamt Stativ umhergefahren sein muss. Er war viel vor Ort und damals war ein Auto keine Selbstverständlichkeit.

Die gesamte Ausstellung der sieben Mappen ist sehr umfangreich, an einigen Stellen zu langatmig, bietet aber Gelegenheit, die Arbeit Sanders genau zu studieren. Haben sich die Menschen vorher fotografieren lassen, um in ihrem Umfeld zu repräsentieren, ging es hier August Sander um den Portraitierten an sich. Sander wollte in diese Gesichter seines Landes gucken und hatte einen zutiefst demokratischen Ansatz: Jeder ist gleichberechtigt. Daher die Aufteilung in Gruppen. Daher keine Aufgeregtheiten in den Gesichtern, damit die Emotionen den Betrachter nicht manipulieren.

Die Nationalsozialisten haben die Menschenportraits von August Sander 1939 verboten – sie wussten, warum.

Stefan Maria Rother, Berlin-Schöneberg

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