zum Hauptinhalt

Positionen: Der Staat kann auch anders

Der Kauf der Steuerdaten ist juristisch zweifelhaft, meint HU-Professor Alexander Ignor.

Die Frage ist knifflig, würdig einer strafrechtlichen Hausarbeit für fortgeschrittene Jurastudenten. Machen sich Finanzbeamte strafbar, wenn sie einem unbekannten Informanten eine CD-Rom mit Schweizer Kontodaten von 1500 Bankkunden, unter denen sich vermutlich viele deutsche Steuersünder befinden, für 2,5 Millionen Euro abkaufen?

Leicht zu verneinen ist der Straftatbestand der Hehlerei. Daten sind keine Sachen, können daher nicht gestohlen und gehehlt werden. Schwieriger verhält es sich mit möglichen Verstößen gegen Strafvorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wenn der Informant den Steuerfahndern die CD aushändigt, dann verwertet er unbefugt verschaffte Geschäftsgeheimnisse, eine Straftat, die, gewerbsmäßig ausgeführt, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden kann (§ 17 Absatz 2 UWG). Und wenn er das tut, weil ein Steuerfahnder ihm Geld dafür zahlt, droht diesem der Vorwurf der strafbaren Beihilfe. Es ist verboten, Straftaten zu fördern.

Lässt sich dagegen nicht einwenden, dass den Staat beim Deal mit den Informanten die besten Absichten und Aussichten leiten, nämlich die Möglichkeit, rechtswidrig hinterzogene Steuerschulden in Millionenhöhe nachzufordern? Die Jurastudenten, im Geiste des Rechtsstaats ausgebildet, müssten ausführen, dass eine gute Absicht allein noch keine Straftat rechtfertigt und dass der Gedanke, der Zweck (Steuergelder) heilige die Mittel (Straftaten), dem Rechtsstaat fremd ist. Vielleicht wird mancher die Rechtsfigur des „übergesetzlichen Notstandes“ in Betracht ziehen. Er müsste aber erörtern, dass diese Rechtsfigur sehr umstritten ist und ein solcher Notstand, bei aller Staatsverschuldung, in der Bundesrepublik wohl noch nicht erreicht ist. Zwischenfazit: Ein anerkannter Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich.

Beachtung verdiente die Überlegung, dass das strafbewehrte Verbot, Geschäftsgeheimnisse zu verraten, auf die Situation des Wettbewerbes unter Geschäftsleuten zugeschnitten ist, nicht aber auf den Staat, der seine legitimen Steueransprüche jenseits allen Wettbewerbs im Gemeinwohlinteresse realisieren will. Die Auslegung einer Norm gegen ihren Wortlaut von ihrem Sinn und Zweck her gilt als hohe juristische Kunst. Sie müsste aber mit dem Bedenken einhergehen, dass ein solches Staatsprivileg problematisch ist, weil der Staat über zahlreiche unzweifelhaft legale Hoheitsbefugnisse zur Verfolgung von Steuersündern verfügt. Außerdem: Beeinflusst wird der Bankenwettbewerb durch die Verwertung der Daten allemal. Bei ihren Recherchen würden die Studenten daher zu dem Ergebnis gelangen, dass die herrschende Meinung in der juristischen Literatur den seinerzeitigen Ankauf von Kontodaten aus Liechtenstein durch den BND als rechtswidrig ansieht.

Zusatzfrage: Dürfen die Daten, wenn sie rechtswidrig erworben werden, gleichwohl verwertet werden? Hier würde den Studenten nicht nur eine Diskussion des gefühlten Für und Wider abverlangt. Sie müssten rechtliche Argumente für eine Verwertung finden und sich nicht zuletzt mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen, dass die Duldung eines bewussten Rechtsbruchs durch Ermittlungsbeamte einen Ansehensverlust des rechtstaatlichen Verfahrens bei der rechtstreuen Bevölkerung erwarten lässt, den es zu verhindern gilt.

Für eine gute Note dürfte schließlich nicht der Hinweis darauf fehlen, dass die staatlichen Organe für die Zahlung des Kaufpreises einen bestimmten Haushaltstitel benötigen. Andernfalls droht ihnen der Vorwurf der Haushaltsuntreue, bei dem die Aussicht auf mögliche künftige Steuereinnahmen wiederum keine Rolle spielt. Übrigens droht dieser Vorwurf auch dann, wenn der ganze Deal sittenwidrig ist. Das ist spätestens dann der Fall, wenn der Bundesgerichtshof das so sieht. Ob er das tut, kann niemand vorhersagen.

Man darf annehmen, dass die Rechtsberater der Regierung all diese Probleme geprüft und einer sauberen Lösung zugeführt haben. Es wäre schön, wenn sie diese öffentlich machten, damit die Jurastudenten von heute, die die Staatsanwälte und Strafrichter von morgen sein können, davon Kenntnis erlangen. Auch die Allgemeinheit hat daran ein Interesse.

Der Autor ist Rechtsanwalt

und Professor an

der Humboldt-Universität Berlin.

Alexander Ignor

Zur Startseite