zum Hauptinhalt

Meinung: Der Wille ist frei

Von Hartmut Wewetzer

Stand:

Das Bedürfnis, der Medizin bei klarem Verstand Grenzen zu setzen, ist weit verbreitet und wohl nicht ganz unbegründet. Mit einer Patientenverfügung kann man im Voraus festlegen, wie man behandelt werden möchte, wenn man infolge eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr sagen kann, was man will. Angeblich sollen bereits neun Millionen Menschen eine solche Verfügung verfasst haben. Wer bei Bewusstsein ist, darf eine medizinische Maßnahme ablehnen, eine Operation etwa oder eine Behandlung mit Medikamenten. Es ist nur recht und billig, dass dieser Grundsatz auch dann gelten muss, wenn man nicht mehr bei Bewusstsein oder das Denkvermögen für immer entschwunden ist.

Der Wille des Patienten muss die Richtschnur ärztlichen Handelns sein. Das ist eigentlich selbstverständlich. Doch ob das auch die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages in der Debatte am heutigen Donnerstag so sehen wird, steht dahin. Der Antrag des SPD-Rechtsexperten Joachim Stünker nimmt den Patientenwillen tatsächlich ernst. Demnach ist die Verfügung verbindlich. Der Staat wird in seine Schranken verwiesen, die Selbstbestimmung hat Vorrang. Das ist gut so. Anders die beiden Gegenanträge von Wolfgang Bosbach (CDU) und René Röspel (SPD). Sie schränken die „Reichweite“ des Patientenwillens stark ein. Der Abbruch einer Behandlung soll nur bei absehbar tödlichem Verlauf der Krankheit möglich sein. Wenn Bosbach und Röspel sich durchsetzen, könnte das am Ende nicht auf eine Stärkung, sondern auf eine Schwächung des Patientenwillens hinauslaufen. Alles würde schlimmer, als es derzeit geregelt ist. Aus Sicht des Patienten sinnlose Behandlungen würden verlängert werden, weil man sich, wie im Fall Bosbachs, auf den absoluten Schutz des Lebens beruft. Oder, wie im Fall Röspels, auf die immer wieder gern beschworene Gefahr eines Dammbruchs, wie sie die Liberalisierung bestehender Regelungen angeblich mit sich bringt.

Bevor man diesen Panikattacken nachgibt, sollte man lieber auf ein Gesetz verzichten, das nur dem Namen nach dem Patientenwillen recht gibt, in Wahrheit aber diesen Willen einschränkt. Freiheit ist etwas anderes.

Seite 2

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })