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Meinung: Die Börse 2001: Leitartikel: Bloß kein Feuerwerk

Am Ende gaben sich die Händler noch einmal versöhnlich. Am Freitag wurden an der Börse Aktien gekauft, als sei nichts gewesen.

Am Ende gaben sich die Händler noch einmal versöhnlich. Am Freitag wurden an der Börse Aktien gekauft, als sei nichts gewesen. Mit einem schönen Gewinn in den Büchern endete der letzte Tag eines Börsenjahres, das sich die Chronisten merken werden.

Ein Vorbote für 2001? Zu schön, um wahr zu sein. Denn hinter dem trotzigen Harmoniebedürfnis der Börsianer verbirgt sich blankes Entsetzen. Die kühlen Rechner müssen kleinlaut einräumen, dass sie sich im Jahr 2000 gründlich verkalkuliert haben. Für die Anleger hat das Eingeständnis der Experten freilich etwas Gutes: Im kommenden Jahr wird neu - und genauer - gerechnet. Jedenfalls weisen die verlässlichen Prognosen darauf hin, dass es wieder freundlicher an den Börsen zugehen wird.

Doch einstweilen beklagen die als Geldvermehrer angestellten Fondsmanager und Analysten rote Zahlen. Hart getroffen wurden sie vor allem von einer Schwäche, die man bei den vermeintlich rationalen Marktstrategen eher nicht vermutet hätte: ihrer Gier. Im Frühjahr noch trieb sie bunte Blüten. Immer höher, immer schneller, immer wertvoller. Wie selbstverständlich wurde in Superlativen gedacht. Zwischen November 1999 und März 2000 schoss die amerikanische Technologiebörse Nasdaq um fast 88 Prozent nach oben. Wie im Rausch sahen Anleger weltweit die Aktien von Internetunternehmen und Firmen aus der Telekommunikations- und Computerbranche aufsteigen. Der Neue Markt in Frankfurt feierte jeden Tag einen neuen Helden. Die New Economy kannte keine Grenzen - logistisch nicht und nicht bei den auflaufenden Verlusten -, der Konjunkturzyklus schien außer Kraft. Gelockt von fantastischen Renditen lösten brave Bürger ihre Sparbücher auf und wurden über Nacht zu selbst ernannten Day-Tradern.

Der Nervenkitzel ist lange vorbei. Die heiße Dotcom-Spekulation ist nicht aufgegangen. Ikonen der Internet-Ökonomie haben ihr Kapital in wenigen Monaten wieder verspielt: Die Aktie des Netzportals Yahoo verlor 2000 insgesamt 85 Prozent an Wert, die des Online-Händlers Amazon sackte um 75 Prozent ab, der Kurs der Aktie von Chiphersteller Intel büßte 55 Prozent ein. Und hierzulande gilt Anlegern der Name des gefallenen Sterns EM.TV inzwischen als Symbol für Lug und Trug am Neuen Markt. Die Schadenfreude jener, die den schnellen Aufsteigern schon immer misstraut haben, ist groß. Man kann es ihnen nicht verdenken.

Doch der kluge Rückblick der ewig Skeptischen in ein außergewöhnliches Börsenjahr überzeugt nicht wirklich. Wer hat sich nicht von den sprühenden Ideen der jungen, anders wirtschaftenden Unternehmer anstecken lassen? Und wer kann von sich behaupten, in diesem Jahr nicht über Technologie-, Biotech- oder Internet-Aktien nachgedacht zu haben? Dumm von denen, die alles auf eine Karte gesetzt haben. Dumm auch von denen, die an den Lippen der Gurus gehangen und blind gekauft haben, was ihnen - mal von diesem, mal von jenem Experten - empfohlen wurde. Mit leidlich kühlem Kopf ließ sich schon im März voraussehen, dass der Herdentrieb unerfahrener Anleger in hochriskante Werte ein bitteres Ende nehmen würde.

Was bringt 2001? Sicher ist, dass die Kursgipfel dieses Frühjahrs so schnell nicht wieder erreicht werden. Man kann das langweilig finden, aber nach der Achterbahnfahrt scheint ein langsamerer Takt angeraten. Die Konjunktur in den USA und im Euro-Raum schwächelt, aber das Wachstum ist intakt. Die Inflationsrate wird nach dem überwundenen Ölpreisschock nicht steigen. Die Geldpolitik der US-Notenbank verheißt sinkende Zinsen. Das alles ergibt eine gesunde Mischung. Wer die Finger nicht von der Börse lassen will, sollte sich deshalb für einen Mix aus europäischen und weltweit anlegenden Aktienfonds entscheiden, und für die, die es sich leisten können, gehören ausgesuchte Blue-Chips der Neuen Märkte und sichere Zinspapiere dazu. Börsensilvester 2000: statt Champagner-Cocktails einen Longdrink. Der hält länger vor.

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