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Alexander Gauland ist promovierter Jurist. Er war Staatssekretär in Hessen und Geschäftsführer und Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Er lebt als Publizist in Potsdam.

© Zeichnung: Claudia von Seidlein

Kolumne "Mein Blick": Die Euro-Retter kämpfen gegen die Wirklichkeit

Die Deutschen haben ständig neue Ideen, wie man die Griechen retten könnte. Doch auch ein Sparkommissar wird das Land nicht vor einer Insolvent bewahren. Europa muss aufhören, die Tatsachen den Wünschen unterzuordnen, meint unser Autor.

Ist es schon Narrheit, hat es doch Methode. Wer immer der Erfinder der Idee vom Staatskommissar für Griechenland war, hat der europäischen Idee einen Bärendienst erwiesen. Doch leider steht zu vermuten, dass es eben nicht nur ein Aussetzer im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium oder gar im Kanzleramt war, sondern Ausgeburt eines elitären Denkens, das längst von der Realität wie von der Demokratie Abschied genommen hat. Es entspricht jener Logik der Euro-Rettung, koste es Europa, was es wolle – und seien es seine demokratischen Überzeugungen.

Wenn die Griechen, die Portugiesen oder wer auch immer nicht wollen, wie es die Euro-Rettungsvernunft gebietet, dann muss man sie eben zu ihrem Glück zwingen. Der Zweck heiligt die Mittel. Und der Zweck ist schließlich der menschliche Fortschritt des Euro, dem sich andere Wirtschaftskulturen anzupassen haben. Dass Griechenland manches nicht kann, weil es in vielem noch immer das Land Ottos I. ist, interessiert deutsche und Brüsseler Eurokraten wenig. Wie soll ein Land eigentlich privatisieren, also sein Staatseigentum veräußern, wenn es noch immer kein brauchbareres Katasterwesen gibt als zum Ende der osmanischen Fremdherrschaft. Und wie sollen die notwendigen Steuern erhoben werden, wenn Steuermoral und Steuerverwaltung auf dem Niveau von 1850 verharren. Es ist eben nicht möglich, in Jahrhunderten gewachsene Kulturen in wenigen Monaten zusammenzuzwingen und schon gar nicht dabei auch noch die demokratischen Werte und Spielregeln einzuhalten.

Statt sich also über eine geordnete Insolvenz des Landes innerhalb oder außerhalb der Euro-Zone Gedanken zu machen, möchte man die Wirklichkeit besiegen, die Tatsachen den Wünschen unterordnen. Dass dabei genau das verloren geht, was die europäische Gemeinschaft von anderen Raumordnungsversuchen in der Welt unterscheidet, die demokratische Letztbegründung, wen kümmert’s im stabilitätsbesessenen Berlin. Dabei müsste der Kanzlerin und ihren Adjutanten doch inzwischen klar sein, dass das deutsche Inflationstrauma eben nur ein deutsches ist und nicht im gesamteuropäischen Gedächtnis verankert und dass andere Völker andere Prioritäten setzen und andere Erinnerungen pflegen.

Und so ist der Euro, der allein in einer „Koalition der Willigen“ funktionieren könnte, zum technokratischen Zwangskorsett verkommen, dem zuerst viel gutes Geld und am Ende die europäischen Werte geopfert werden. Schließlich macht auch der neue Stabilitätspakt, die sogenannte Fiskalunion, mit ihren vielen Schlupflöchern und den unsicheren Aussichten auf eine Ratifizierung oder gar Umsetzung, nur allzu deutlich, dass sich deutsches Wirtschaften und deutsche Stabilitätskultur nicht gegen ein historisches Erbe, tief verwurzelte Gewohnheiten und ein demokratisches Aufbegehren durchsetzen lassen.

Der Traum von einem deutschen Europa mit der Europäischen Zentralbank als erweiterter Bundesbank ist ausgeträumt, die Möglichkeiten eines „freundlichen“ Hegemons sind erschöpft. Der Sparkommissar war der letzte verzweifelte und undemokratische Versuch, diesen Traum zu retten. Übrigens: Sollten Putin oder die Chinesen in nächster Zeit wieder einmal die wirtschaftliche Modernisierung über die demokratischen Spielregeln stellen und der Kanzlerin einen „altmodischen“ Gesprächspartner vorenthalten, wäre es gut, wenn der deutsche Protest leiser ausfiele oder, noch besser, ganz unterbliebe. Denn auch die Bundesregierung hat den Euro längst der demokratischen Entscheidung oder gar einer möglichen Umkehr entzogen.

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