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PORTRÄT GERRY UND KATE MCCANN OPFER DER BOULEVARDMEDIEN:: „Die Jagd war freigegeben“

Die Eltern McCann haben nicht gerade geschwiegen, seit ihre Tochter Madeleine vor vier Jahren im Urlaub in Portugal verschwand. Sie schrieben Bücher, gründeten eine Stiftung, engagierten Pressesprecher, verklagten die Medien – und blieben doch gegen die Übermacht der Presse ohnmächtig.

Die Eltern McCann haben nicht gerade geschwiegen, seit ihre Tochter Madeleine vor vier Jahren im Urlaub in Portugal verschwand. Sie schrieben Bücher, gründeten eine Stiftung, engagierten Pressesprecher, verklagten die Medien – und blieben doch gegen die Übermacht der Presse ohnmächtig. Ein paar Wochen nach dem Verschwinden Madeleines sei die Stimmung der Presse umgeschlagen, erklärte Kate McCann: „Die Jagd war freigegeben“.

Der Zeugenauftritt des Paares vor Richter Brian Leveson und seiner Kommission zur britischen Presseethik war ein Aufschrei des Leidens und die bisher unerbittlichste Darstellung davon, wie die Boulevardzeitungen „Leben zerstören“. Was Zeugen wie Schauspieler Hugh Grant oder „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling zu berichten hatten, waren im Vergleich dazu milde Belästigungen.

Als die „News of the World“ sich beim portugiesischen Gericht eine Übersetzung des beschlagnahmten Tagebuchs von Kate McCann besorgte und den Text ohne Genehmigung oder Vorwarnung veröffentlichte, habe sie sich „vergewaltigt“ und „wertlos“ gefühlt, sagte sie. Wie das Tagebuch in den Besitz der Zeitung kam, sei nie untersucht worden. Leveson deutete an, sich dessen annehmen zu wollen.

Mit chirurgischer Präzision breiteten die beiden Ärzte den „anhaltenden Schaden“ ihrer Presseverfolgung aus. In Portugal war ihnen unter Androhung von Gefängnis verboten worden, irgendetwas zu dem Fall zu sagen – Zeitungen schrieben ungestraft, was sie wollten, „auch Unwahrheiten und Erfundenes“. Der „Daily Express“ behauptete erst, die McCanns hätten Madeleine aus Geldnot „verkauft“, dann wurde behauptet, die Leiche sei im Gefrierschrank versteckt. 550 000 Pfund musste die Zeitung dafür an die Madeleine-Stiftung bezahlen und sich entschuldigen. Aber was einmal in der Zeitung steht, wird im Ausland und im Internet ungestraft wiederholt. „Wir wollten hinausbrüllen, es stimmt alles nicht, aber gegen die mächtigen Medien hilft alles nichts.“

„Wir brauchen ein System, das gewöhnliche Menschen vor dem Schaden schützt, den die Medien ihnen antun können“, sagte Gerry McCann am Schluss. Richter Leveson stützte den Kopf in die Hand und dachte lange nach. Er sei ja hier, um das Recht auf Privatsphäre und die Wahrheit zu schützen. Aber, fuhr er fort, es gehe um die Meinungsfreiheit. Gerry McCann schüttelte den Kopf. „Leben werden zerstört. Es muss sich etwas ändern.“Matthias Thibaut

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