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Meinung: Die Moral von der Geschicht’

Berichterstattung zu den Plagiatsvorwürfen gegen Minister Guttenberg Am Montagabend in Kelkheim befand Guttenberg, sich am Wochenende noch mal mit seiner Doktorarbeit beschäftigt zu haben, um feststellen zu müssen, „gravierende Fehler“ gemacht zu haben. Mir erscheint es eher, als ob er sich an diesem Wochenende erstmalig damit beschäftigt hat.

Berichterstattung zu den Plagiatsvorwürfen gegen Minister Guttenberg

Am Montagabend in Kelkheim befand Guttenberg, sich am Wochenende noch mal mit seiner Doktorarbeit beschäftigt zu haben, um feststellen zu müssen, „gravierende Fehler“ gemacht zu haben. Mir erscheint es eher, als ob er sich an diesem Wochenende erstmalig damit beschäftigt hat. Diese Dissertation enthält unzitierte Quellen in einem Maßstab, dass die Behauptung, sie sei ohne fremde Hilfe und/oder bewusste Täuschung entstanden geradezu absurd wirkt. Es offenbart sich hier ein Mensch, der jegliche Bodenhaftung verloren hat. Es sei dahin gestellt, ob einer oder mehrere Ghostwriter oder Guttenberg persönlich sämtliche zu diesem Thema jemals veröffentlichte Schriften zusammenkopiert und mit mehr oder weniger eleganten Phrasen zusammengeflickt haben. Die Tatsache, dass sein Name unter dem Ergebnis steht, zeigt, dass Guttenberg weder Respekt vor (geistigem) Eigentum noch vor harter (wissenschaftlicher) Arbeit hat. Es mag sein, dass Karl-Theodor zu Guttenberg keinen Doktortitel braucht, um sein Amt auszuüben (O-Ton CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich). Sein Amt verlangt aber Verantwortungs- und Unrechtsbewusstsein; beides hat er bislang vermissen lassen. Er ist folglich für das Amt des Verteidigungsminister unhaltbar. Treten Sie zurück, Herr Guttenberg!

Dr. Philip Groth, Berlin-Wilmersdorf

Nachdem der Minister anlässlich einer Parteiversammlung das Ergebnis der akademischen Prüfung seiner Promotionsleistung vorweggenommen hat, erscheint es legitim, auf einen kaum erwähnten Aspekt seines Umganges mit Betroffenen hinzuweisen, nämlich mit dem Betreuer seiner Arbeit, seinem „Doktorvater“. Die Annahme eines Promovenden birgt stets einen zweifachen Vertrauensvorschuss: Dass dieser seine Aufgabe bewältigen und sich dabei lauterer Mittel bedienen möge; auf beide Gesichtspunkte beziehen sich dann auch Prüfung und Bewertung der vorgelegten Leistung. Deshalb ist eine Täuschung zunächst und vor allem auch ein Vertrauensbruch gegenüber dem Betreuer; wird diese erst nach vollzogener Promotion aufgedeckt, beschädigt sie unmittelbar auch ihn, indem er sich der Frage nach der Art und Qualität seiner Betreuungs- und Prüfungsleistung stellen muss. Insofern ist eine Promotion stets auch ein charakterliches Testat – nämlich hinsichtlich des Umganges mit dem Vertrauen anderer. Der eigenständige Verzicht auf das akademische Prädikat – sei er nun juristisch möglich oder nicht – mag fachlich belanglos bleiben; er dokumentiert indessen eine Art des Umganges, wie sie mit Werkzeugen angemessen sein mag, nicht aber mit Menschen, erst recht nicht mit einem „Vater“ – dessen erarbeitete Reputation hinter den schneidig vorgetragenen Entschuldigungen seines Zöglings irreversibel beschädigt zurückbleibt.

Univ.-Prof. Dr. Hanns-Peter Bruchhausen, Magdeburg

Wenn Herr zu Guttenberg ein Gefühl für Gerechtigkeit, Sitte und Anstand hätte, hätte er sofort seinen Rücktritt angeboten. Diese Attribute – aus gutem Hause mit guter Bildung – liegen ihm offenbar fern. Ich komme aus einem „normalen“ Elternhaus und habe „nur“ einen Realschulabschluss, aber die o.a. Eigenschaften wurden mir u. a. von meinen Eltern vorgelebt und von mir übernommen.

Vera Trapp, Berlin-Lankwitz

Das „edle Wild“ ist schwer angeschossen, das mediale Vernichtungskartell lässt schon die Champagnerkorken knallen. Ein großartiger Sieg? Nein, im Gegenteil! Das Volk spielt nicht mit. Es hat sich in seiner großen Mehrheit mit dem Gestrauchelten verbündet. Eine Unverschämtheit! Ein anderes Volk herbeischreiben, herbeitalken? Unvergessen das Gesicht von Herrn Oppermann (SPD), als Herr Plasberg ihm mitteilt, dass ca. 66 Prozent der SPD-Anhänger nicht daran dächten, sich an diesem Feldzug zu beteiligen. Was ist nur in Deutschlands beste Federn gefahren, dazu zähle ich auch die von mir geschätzten Wortmächtigen dieser Zeitung, sich so vehement, unter Aufbietung ihrer großartigen Begabungen auf einen Menschen zu stürzen, der gefehlt hat, schwer gefehlt hat. Aber meint man wirklich nur diese Rieseneselei, diese Causa,losgelöst vom Menschen zu Guttenberg? Nach meiner Beobachtung scheinen noch ein paar andere, unausgesprochene, jedoch begleitend wabernde Empfindungen die selbsternannten Inquisitoren, Scharfrichter und mutigen Wortwildjäger auf ihrer Pirsch zu vereinen: eine in ihnen wohnende Xenophobie gegenüber einer Spezies, wie sie bisher nicht in der (klein-)bürgerlichen Welt unserer Politikerkaste und ihres sozialen Umfeldes zu besichtigen war, und die sich so deutlich abhebend präsentierte. Es wäre vorschnell geurteilt, wollte man hier dem gemeinen Neid und der üblichen Missgunst das Wort reden, auch wenn es sie vereinzelt geben mag, es mögen viel mehr tiefsitzende „inferior feelings“ sein, Kleinheitsgefühle, die bisher nicht sichtbar wurden, die man ums Verrecken nicht eingestehen will, weil man bisher zur großen Familie der „Mitte“ gehörte, in der solche Menschen mit diesem Auftritt nicht vorkamen. Bei Shakespeare heißt es: ’Manners makyth man.’ Ich füge hinzu: Bitte auch, wenn man zur Feder greift. Also runter vom sich überbietenden Schreib-Crescendo, hin zum fairen Fight von Angesicht zu Angesicht. Falls das in diesem Land überhaupt noch möglich ist. Nur zur Erinnerung: Der Adel wurde 1919 abgeschafft. Titel und Prädikate sind ausschließlich Namensbestandteile. Einen Bürger mit seinen Namensbestandteilen zu ironisieren, zu verhöhnen oder medial aufzuspießen, beweist nur mangelnde Bildung und schlechten Stil.

Conrad Maria Mullenarque,

Berlin-Charlottenburg

Die mehr als fragwürdige Usance, akademische Grade quasi als Namenszusatz weiter zu edeln, hat eine Art Bildungsadel institutionalisiert, bei dem der Titelträger meist offensiv einen besonderen sozialen Status, Integrität und Privilegien einfordert. Von daher gehört es schlicht zum Selbstverständnis von Teilen dieser elitären Gruppe, notfalls mit allen Mitteln einen solchen Befähigungsnachweis anzustreben.

Bernd Linden, Zehlendorf

Gratulation an Tissy Bruns für ihren couragierten Kommentar! Sie nennt die Dinge ohne Umschweife beim Namen und zeigt in aller Deutlichkeit den Abgrund auf, vor dem wir nicht mehr nur stehen, sondern in dem wir uns bereits befinden. Als Lehrerin bin ich froh, pensioniert zu sein. Ich könnte meinen Schülerinnen und Schülern bei der Anfertigung ihrer Facharbeiten in Zukunft wohl kaum erklären, dass für sie völlig andere Regeln gelten als für einen sich immer noch Minister nennenden Herrn Guttenberg, der die Bodenhaftung und das Gefühl für Wahrhaftigkeit und Moral vollständig verloren hat.

Barbara Fischer, Weilerswist

Plötzlich fühlen Sie sich alle der bürgerlichen Kultur verpflichtet: Die Lehrer der dem Sozialismus frönenden SPD genauso wie die Grünen, die früher jedwede Bürgerlichkeit mit Turnschuhen getreten und mit Steinen beworfen haben. Letztere haben scheinbar völlig vergessen, dass einer ihrer Ex-Minister ein „ganz bürgerlicher“ Schulabbrecher und Hilfsarbeiter war. Jemand, dem man allerdings nie fehlende Quellenangaben seiner Doktorarbeit nachweisen wird. Denn er hat lieber auf den Umweg des Hochschulstudiums verzichtet und ganz ungeniert die Ehrendoktorwürde angenommen. Dagegen wird der Minister, der sich artig an die Arbeit machte, noch Jahre später beim Schummeln erwischt! Hurra! Endlich Gerechtigkeit. Da bleibt nur eins: Die loyalen Bürgerlichen müssen Drogen genommen haben: die Droge Guttenberg!

Arco Auschner, Fredersdorf-Vogelsdorf

Anders als eine Tageszeitung, die die Plagiatsvorwürfe gegen Minister zu Guttenberg auch in mehreren Artikeln und in unterschiedlichen Ressorts abhandelt, erhält das Fernsehen schon am nächsten Tag ein Feedback vom Publikum, welche Sendung und welches Thema auf Interesse gestoßen sind. Der Zeitungsredakteur ist auf Einzelstimmen wie diese angewiesen und muss daraus seine Schlüsse ziehen. Wir Fernsehleute haben es einfacher und können jetzt schon feststellen, dass die drei Talkformate, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des „KT-Themas“ befasst haben, großes Interesse bei den Fernsehzuschauern gefunden haben. Wenn mehr als elf Millionen Zuschauer deshalb „Anne Will“ , „Menschen bei Maischberger“ und „Hart aber fair“ einschalten, können die Fragestellungen und die Gäste nicht so ganz abwegig gewesen sein. Und das geistige Eigentum anderer wurde dabei garantiert auch nicht ohne entsprechende Kennzeichnung verwendet.

Dr. phil. Bernhard Möllmann, ARD, Programmdirektion, München

Wer bisher geglaubt hat, dass diese Bundesregierung nicht fähig ist, außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen, wurde nun eines Besseren belehrt: Sie hat den doppelten Guttenberger geschaffen! Auf der einen Seite haben wir nun die Person des Betrügers, die mit dem Verteidigungsminister nichts zu tun hat und auf der anderen Seite haben wir die Person des Ministers, die wiederum nichts mit der Person des Betrügers zu tun hat. Das ist revolutionär und ein nachhaltiges Modell für die Zukunft!

Burghard Essmann, Oldenburg

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