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Von Lorenz Maroldt: Die Stadt und der Müll

In Berlin ist fast alles ganz genau geregelt – es wird nur kaum kontrolliert

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In Berlin sind staatliche Ordnungslust und gelebte Anarchie kein Widerspruch, sondern eine Symbiose. Was will man auch anderes erwarten in einer Stadt, in der auf den besten Straßen Pferdemist liegt und eines der teuersten Restaurants Grill Royal heißt, ausgerechnet. Die ärmsten Würstchen Berlins aber sind die Mitarbeiter der Ordnungsämter, denn, so klagen die Stadträte, sie sind zu wenige, sie sind zu alt, und wenn es darauf ankommt, haben sie frei.

So auch zu Ostern, als erwartungsgemäß die winterblassen Großstädter der frischen Sonne mit Zentnern von Holzkohle endlich mal wieder so richtig einheizten. Das ist zwar fast überall verboten, und wo es erlaubt ist, dennoch streng geregelt. Doch kontrolliert und sanktioniert wurde fast nirgendwo. Die Mitarbeiter durften Eier suchen, oder sie gingen gleich selber grillen. Denn für einen Feiertag im Dienst würden sie zwei freie Tage unter der Woche bekommen, und das wollen sich die Ämter nicht leisten. Zurück blieben Berge von Müll.

So ist das in Berlin: Immer mehr und immer feiner ausgearbeitete Verordnungen und immer weniger, immer ältere, immer durchsetzungsschwächere Kontrolleure haben in der Summe dazu geführt, dass inzwischen weder die Verordnungen ernst genommen werden noch die Kontrolleure. Und da auch die Mülleimer immer voller werden, nimmt selbst die niemand mehr ernst.

Ganz egal, ob es um das Rauchverbot geht oder die Lebensmittelkontrolle, um den Alkoholausschank an Minderjährige, das Grillen oder auch die Pferdekutschen: Es lässt sich nicht sagen, dass die Behörden die offenkundigen Probleme nicht erkennen würden. Aber anstatt die Einhaltung der eigentlich einfachen Regeln wenigstens einigermaßen sicherzustellen, nehmen sie die fortlaufenden und immer dreisteren Verstöße lediglich zum Anlass, neue, detailliertere, kompliziertere Verordnungen zu erlassen, die erst recht nicht mehr zu kontrollieren sind.

Die Pferdekutschenepidemie in Mitte beispielsweise, die mit ihren Nebenwirkungen wie Schmutz und Stau und Tierquälerei außer Kontrolle geraten ist, behandelt die Stadt mit Quacksalberei. Jetzt sollen die Pferde mindestens fünf Jahre alt sein, über rutschfeste Hufe verfügen, bei Temperaturen unter 30 Grad im Schatten um 10 Uhr vormittags zweimal eine halbe Stunde Pause machen und bei Temperaturen über 30 Grad spätestens alle zwei Stunden, und selbstverständlich noch einiges mehr.

Wahrscheinlich wird demnächst die Erlaubnis zum Grillen vom Erwerb eines entsprechenden Führerscheins mit biometrischen Angaben abhängig gemacht, es werden die Wendezeiten von Bratwürstchen und Lammkoteletts vorgeschrieben sowie die Farbe und Faser der mitzubringenden Mülltüten geregelt.

Kein Gerücht ist übrigens, dass der Bezirk Mitte eine Grillpolizei einführen will. Das hat er nämlich schon längst gemacht, und zwar vor fünf Jahren. Leider haben die Stadträte das inzwischen vergessen.

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