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Prozessbeginn gegen Wikileaks-Informant: Die Transparenzrevolution hat eine magere politische Bilanz
Am Montag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning - hinter verschlossenen Türen. Überhaupt hat Wikileaks deutlich weniger bewegt, als Julian Assange der Welt versprach. Doch die Idee ist nicht totzukriegen.
Es ist erstaunlich, wie schnell die Welt manchmal eine Idee zerkleinert. Nur etwa drei Jahre ist es her, dass die Enthüllungsplattform Wikileaks mit den ersten größeren Veröffentlichungen die internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Gründer, Julian Assange, trat als genialisch-prophetischer Heilsbringer auf und versprach nicht weniger als eine Revolution: Die Welt sollte eine neue Stufe der Transparenz erklimmen. Fürchtet euch, ihr Mächtigen, rief Assange, und manche in den Weltkommandozentralen fürchteten sich vielleicht wirklich, wenigstens ein bisschen.
Heute sind die Protagonisten der Transparenzrevolution gefangen, diskreditiert, erschöpft oder verheddert.
Bradley Manning, der mutmaßliche Informant, sitzt seit drei Jahren in einem Militärgefängnis in den USA in Haft. Am Montag beginnt der Prozess gegen ihn – wie bei Militärprozessen üblich maximal opak, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe. Julian Assange sitzt ebenfalls fest, in der Londoner Botschaft von Ecuador, in die er sich flüchtete, um seiner Auslieferung an Schweden zu entgehen, wo er wegen Sexualdelikten angeklagt ist. Daniel Domscheit-Berg, deutscher Mitgründer des Projekts, wollte eigentlich eine eigene Enthüllungsplattform gründen, OpenLeaks. Doch das Projekt scheiterte. Er lebt heute recht zurückgezogen auf einem Hof in Brandenburg, meist hört man eher von seiner Frau, der Aktivistin und Piratenpolitikerin Anke Domscheit-Berg. Ach, ja, die Piratenpartei. Auch die Transparenzoffensive der Piraten führte bekanntlich zu wenig Gutem.
Der kleine Bruder der Transparenzrevolution, die Open-Data-Bewegung, hat bessere Erfolgsaussichten
Die politische Bilanz der Ära Wikileaks ist erstaunlich mager. Es gab eine fruchtbare Debatte über die Bedeutung und Grenzen der Transparenz, aber wenig politischen Wandel. Das „Collateral Murder Video“ zeigte die brutale Kriegsrealität im Irak. Der Termin für den Abzug der US-Truppen aber soll schon 2008, zwei Jahre vorher, festgestanden haben. Aus den diplomatische Depeschen der Amerikaner erfuhr die Welt nicht viel Aufschlussreiches, außer, was US-Botschafter Philip Murphy wirklich über Guido Westerwelle denkt. Die „Guantanamo Akten“ zeigten, wie dünn die Fakten sind, aufgrund derer die Gefangenen in dem Lager festgehalten werden. Das Lager allerdings gibt es noch immer.
Doch sind sie erst einmal in der Welt, sind Ideen in der Regel nur noch sehr schwer wieder zu beseitigen. Assange und seine Mitstreiter haben Informationsmonopol und das Geheimhaltungsrecht von Staaten radikal in Frage gestellt. Sie haben damit ein neues Bewusstsein für Sinn, Unsinn und Begründung dieser Vorrechte geschaffen. Das hat die Anspruchshaltung der Bürger nachhaltig verändert. Während die meisten Deutschen sicher auf der Notwendigkeit diplomatischer Schutzräume bestehen würden, stellen inzwischen immer mehr Menschen infrage, wie weit das Recht auf Geheimhaltung im alltäglichen Verwaltungshandeln reichen muss. Der kleine Bruder der großen Transparenzbewegung, die Open- Data-Bewegung, streitet für die Offenlegung von Privatisierungsvorgängen und großen öffentlichen Investitionen, für Umwelt- und Verkehrsdaten. Sie findet Unterstützung unter den politischen Akteuren. Grüne, SPD, Linke und FDP haben sich „Open Data“-Ideale ins Wahlprogramm geschrieben.
Die große Revolution ist politisch geworden. Das heißt: Sie wird verhandelt.