Brandenburg: Die Unmöglichen
Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Ralf Holzschuher, macht sich in der Diskussion um die Enquete-Kommission unmöglich. Und ausgerechnet die SPD zur Verteidigerin der alte SED-Bonzen bei der Linkspartei. So weit wagt sich selbst Frau Kaiser von der Linkspartei nicht über die Grenzen.
Stand:
Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag Brandenburg, Ralf Holzschuher, hat ein Gutachten zur Stasi-Überprüfung im öffentlichen Dienst und im Landtag in Brandenburg kommentiert. Und zwar vernichtend. Ein Gutachten, das er nach Lage der Dinge nicht einmal kennen kann. Das Papier, erstellt von zwei ausgewiesenen Experten, in Auftrag gegeben von der Enquete-Kommission des Landtages zur Nachwendepolitik in Brandenburg, ist ihm nicht – wie etwa 40 anderen – vertraulich zugestellt worden. Man könnte ihm also noch entschuldigend zurechnen, dass er einfach nicht wusste, worüber er sich da auslässt. Das Schlimme ist aber wohl: Er wusste, was er da tat; und warum er zwei Gutachter durch den Dreck zieht, ihnen nachsagt, ihnen fehle offenbar „jede tiefere historische Kenntnis“. Nur, weil sie schreiben, Stolpe hätte sein Landtagsmandat Anfang der 1990er Jahre zurückgeben müssen. Nicht, weil es die Gutachter so meinen, nein, weil es damals Kriterien gab, die aber oft genug nicht angewandt wurden.
Holzschuher hat seiner SPD in der Diskussion um das vorzeitig bekannt gewordene Gutachten eine Falle gestellt und ist selbst reingerannt in seinem Übereifer mit Geifer: Er schreibt von der zweiten Chance für Täter. Er schreibt von „der Fähigkeit“ der Demokratie „zur Integration ihrer früheren Gegner“. Er referiert „vom Versprechen der zweiten Chancen“ als „Voraussetzung für die Friedlichkeit der Revolution von 1989“. Holzschuher: „Die Alternative war Blutvergießen.“
Nur, er kann da den Einen, den er vorgibt zu meinen, eben nicht meinen. Man kann ja zu Stolpe und dessen Rolle in der DDR stehen, wie man will. Aber eines unterstellt dem ehemaligen Kirchenjuristen nun wirklich niemand: Dass er zu den Tätern gehörte, dass er an der Macht saß, die Möglichkeit – von der Idee ganz zu schweigen – Blut zu vergießen gehabt hätte.
Was also will uns Holzschuher da mitteilen? Es bleiben zwei Möglichkeiten: Holzschuher ist entweder über Stolpe überhaupt nicht im Bilde und hat sich komplett irgendwo in seinen eigenen Windungen verrannt, oder er verteidigt hier ganz andere. Unterstellen wir also, dass der Chef der SPD-Landtagsfraktion einigermaßen weiß, was er so treibt. Das bringt einen aber dann zwingend zu der Frage: Was treibt die SPD? Ausgerechnet die Partei, die sich eben erst gar keine Altkader in die Reihen geholt hatte. Die neben Bündnis 90 (heute bei den Grünen) wie keine zweite Partei im Osten für einen tatsächlichen – auch personellen – Neuanfang stand. Um Stolpe – meine Güte, den Todkranken – geht es doch niemandem mehr. Gegessen das Thema! Jeder hat sein Urteil.
Holzschuher macht sich und seine Partei mit seiner blinden Attacke auf die Gutachter nur zu einem: Zu Verteidigern der alten SED-Kader, die die Linkspartei bis heute zuhauf als Funktionäre und Mandatsträger in ihren Reihen hat. Zur Not auch im Parlament. Und für die schmeißt Holzschuher hier mit Dreck. Er muss es wohl. Er hat Rot-Rot zu verteidigen.
Es ist aber beängstigend, dass ihm nicht einmal die Frage kommt, warum so einer wie Heinz Vietze – hoher FDJ- und SED-Funktionär und nach Aktenlage jahrelang Informant der Stasi (auch als Funktionär noch) - nichteinmal als Grenzfall eingestuft wurde von der Prüfkommission. Früher hätte die SPD so etwas wissen wollen. Jetzt kann sie es nicht mehr hören.
Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, immerhin Mitglied der Enquete-Kommission und Ex-IM der Stasi, wirft den Gutachtern mit deren 130-Seiten-Papier vor: „In seinen Grundaussagen folgen sie der Opposition im Landtag mit ihrer Tendenz zur Dämonisierung und Denunziation des eigenen Landes.“ Vaterlandsverräter also. Ach, wie altbekannt und unerträglich. Ohne neue Fakten kämen die Gutachter zu anderen Ergebnissen als die damals Handelnden, meint Kaiser. Nun, ihr kann man immerhin zugutehalten, dass sie damit tatsächlich einen Beitrag zur Diskussion geleistet hat. Wenn auch unfreiwillig: Denn, ja, es ist tatsächlich möglich, auch ohne neue Faktenlage zu einem anderen Ergebnis zu kommen als die Entscheider vor 20 Jahren, als die Herren von der SPD und der Linken und auch den damals in der FDP und der CDU agierenden Personen. Das ist ja das neue in diesem veränderten Brandenburg, dass das nun auch hier möglich ist. Nur daran gewöhnen können sich Linke und SPD nicht. FDP und CDU sind da schon weiter.
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