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Meinung: Drei Herzenswünsche an Europa

Eine Gratulation zum 50. Geburtstag von der anderen Atlantikseite Von David A. Harris

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Als US-Präsident George W. Bush die Hoffnung äußerte, dass die EU den Beitritt der Türkei möglich macht, forderte ihn der französische Präsident auf, sich nicht in die Angelegenheiten Europas einzumischen. Ich hoffe, dass ich mir nicht eine ähnliche Rüge einfange, wenn ich mich als Amerikaner zu Europa äußere.

Am Wochenende feiert Europa einen Geburtstag, der ein Meilenstein ist. Ich freue mich mit Europa. Das ist ein glückliches Ereignis. Wenn man sich durch den Kopf gehen lässt, wie weit Europa gekommen ist seit den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs – und den zahllosen Konflikten, die davorlagen –, dann spürt man, wie grenzenlos die Möglichkeiten der Geschichte sind.

Natürlich hat sich dieser bis dahin unvorstellbare Fortschritt nicht von alleine eingestellt. Er entwuchs der Vision derjenigen, die über den Tag hinausblickten an den fernen Horizont und mutig das scheinbar Unmögliche träumten – verbunden mit dem eisernen Willen, diesen Traum auch umzusetzen gegen die unzähligen Hürden auf dem Weg.

Die Jüngeren werden sich an diesem 50. Geburtstag möglicherweise gelangweilt fragen: Wozu das ganze Theater? Die Antwort darauf lautet: Ein Kontinent, der einst durch einen Krieg nach dem anderen verwüstet wurde, dessen Erde durchtränkt ist mit dem Blut jener vielen Millionen, die getötet wurden – wegen irgendwelcher Rassetheorien, religiöser Auseinandersetzungen, territorialer Streitereien, wegen des Größenwahnsinns ihrer Führer, aus Gier –, dieser Kontinent muss nicht mehr fürchten, dass ein Grenzkonflikt ausbricht. Krieg zwischen Frankreich und Deutschland oder irgendwelchen anderen EU-Mitgliedsländern ist heute undenkbar.

Das sind die größten Errungenschaften der EU: Frieden, Eintracht und ein Zusammenleben der Mitgliedsländer, das auf der gemeinsamen Achtung demokratischer Werte, auf Rechtsstaatlichkeit und dem Respekt für die menschliche Würde basiert. Und natürlich auch auf mehr: Die wirtschaftliche Entwicklung vieler EU-Länder unterstreicht die Vorteile einer Mitgliedschaft.

Als ein leidenschaftlicher Transatlantiker und Europa-Fan weiß ich, dass nicht alles wunderbar ist im heutigen Europa. Europa steht vor einer Reihe von Herausforderungen – von der zukünftigen Erweiterung zur Verfassung, von der demografischen Entwicklung, der Integrationsfrage zur Angst vor der Brüsseler Bürokratie und Zentralisierung. Präsident Jacques Chiracs Warnung an seinen amerikanischen Amtskollegen im Kopf, möchte ich dennoch drei Wünsche für die Zukunft äußern: Erstens, dass die EU die USA immer als ihren naheliegendsten und natürlichsten Partner betrachtet (und umgekehrt). Zusammen können diese Mächte viel erreichen; auf sich gestellt sind beide entscheidend geschwächt. Doch für eine solche Beziehung muss mehr in die nächsten Generationen investiert werden – zum Beispiel durch ein transatlantisches Austauschprogramm für Studenten.

Zweitens, dass Europa auch angesichts der dramatischen Veränderungen durch Einwanderung keine Schwäche zeigt und seine fundamentalen Werte Demokratie und Humanismus verteidigt und nicht dem Selbstzweifel oder einem kulturellen Relativismus erliegt. Und, drittens, dass Europa – bei aller Hochachtung vor seiner Politik als diplomatische, multilaterale „soft power“ – nicht das „Harte“, vor allem also ernsthafte Verteidigungsbudgets, vernachlässigt. Denn wer kennt die Despoten, die sich um „soft power“ keinen Deut scheren und die nur muskulöse Diplomatie beeindruckt, besser als Europa?

Dank seiner mutigen Staatsmänner hat Europa sich und der Welt gezeigt, was man erreichen kann, wenn man mutig träumt und über den Willen zum Erfolg verfügt. Diese Lehren sollten in anderen Teilen der Welt beherzigt werden – auch im Nahen Osten, der heute noch Lichtjahre davon entfernt scheint zu verstehen, wie die eigenen bitteren Rivalitäten und Konflikte zu lösen sind und wie man die Grundlage für Frieden und Wohlstand schafft. Hoffentlich erweist sich das Beispiel Europa als ansteckend.

Happy Birthday, Europa, von der anderen Seite des Atlantiks.

Der Autor ist Executive Director des American Jewish Committee.

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