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Roland Koch, ehemaliger Ministerpräsident von Hessen .

© imago/IPON

Droht ein „Regulierungsinfarkt“?: Roland Kochs Warnung kann ein Wahlkampfschlager für Friedrich Merz werden

Die beiden Christdemokraten sind seit Jahrzehnten verbunden. Zum Thema Bürokratie und wachsender Staat hat Ex-Ministerpräsident Koch einen Impuls gesetzt. Mal sehen, was daraus noch wird.

Stephan-Andreas Casdorff
Eine Kolumne von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Es gab eine Zeit, eine ziemlich lange sogar, da galt Friedrich Merz als Vintagepolitiker, als klassisch, aber altmodisch, ja überholt. Heute ist der bald 70-Jährige der machtvollste Christdemokrat und auf dem Weg zum Kanzler. Da gerät Roland Koch in den Blick.

Koch: elf Jahre Ministerpräsident in Hessen, lange auch stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, anschließend Vorstandschef beim Industriedienstleister Bilfinger – immer umstritten. Heute Professor, Aufsichtsrat bei verschiedenen Unternehmen und Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Als solcher publiziert er regelmäßig zu großen, die Wirtschaft bewegenden Themen.

Der Hesse ist Merz über all die Jahre verbunden geblieben. Ihr beim Flug über die Anden vor Jahrzehnten geschlossener Pakt zur gegenseitigen Unterstützung wirkt bis heute fort. Mancher, der früher für Koch arbeitete, hat auch Merz auf dem Weg an die Spitze zugearbeitet.

Darum ist es gut, nun auch Koch im Blick zu behalten. Thematisch wie personalpolitisch. Immerhin ist er mit 66 Jahren jünger als Kanzlerkandidat Merz.

Thematisch hat vor Kurzem zur Bundestagswahl eines seine Aufmerksamkeit gefunden: die Rolle des Staates. Und zwar als „stetig wachsendes Gebilde aus Personal, finanziellen Ressourcen und Regulierungen“, wie Koch schreibt.

Was er damit meint: Man muss keine amerikanischen Verschwörungstheorien über den „Deep State“ unterstützen, um „auch in Deutschland angesichts der Zahlen ein Problem zu erkennen“. Nicht zuletzt des Beamtenapparats.

Koch und die Ludwig-Erhard-Stiftung haben es aufgearbeitet. In den 1970er-Jahren kam die alte Bundesrepublik (West) mit 3,1 Millionen Staatsdienern aus. Diese Zahl ist bis auf 5,3 Millionen Beschäftigte gestiegen.

Insgesamt sind aktuell knapp zwölf Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland im Staatsdienst. Der größte Zuwachs ist in der Bundesverwaltung zu finden.

Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat erhoben, dass sich zwischen 2013 und 2024 die jährlichen Personalausgaben der Bundesministerien nahezu verdoppelt haben.

271
Prozent ist die Zahl der Stellen im Kanzleramt seit dem Jahr 2013 gestiegen.

Besonders im Kanzleramt wurde stark aufgestockt: Die Zahl der Stellen wuchs um 271 Prozent, 860 neue Arbeitsplätze. Der massive Stellenzuwachs in den Bundesbehörden hat seit 2013 drei Milliarden Euro an Personalausgaben gekostet und zieht weitere Kosten nach sich.

Bis zum Jahr 2030 werden 6,3 Milliarden Euro, bis 2040 fast zwölf Milliarden Euro zu Buche schlagen. Ansprüche nach dem Ende des Dienstverhältnisses sind nicht eingerechnet.

Immer mehr Gesetze und Verordnungen

Eine Verbindung ist unbestreitbar: Je mehr Personal in der Verwaltung beschäftigt wird, desto mehr Gesetze und Verordnungen entstehen – und Kosten. 2010 gab es auf Bundesebene rund 80.000 Gesetze und Verordnungen – mittlerweile sind es mehr als 96.000.

Der Anstieg von gut 20 Prozent führt in der Wirtschaft und öffentlichen Verwaltungen zu entsprechendem Mehrbedarf an Geld und Personal.

Summa summarum: „Inzwischen stehen wir vor einem Regulierungsinfarkt“, erklärt Koch. „Trotz politischer Absichtserklärungen, die Regelungsdichte zu reduzieren, ist es bisher nicht gelungen, eine wirksame Bürokratiebremse zu implementieren.“

Weniger Personal, weniger Regeln, mehr moderne Technik

Und da wird das Thema für die Wahl sichtbar. Eine neue Regierung soll auch daran zu messen sein, ob sie willens und in der Lage ist, hier eine Trendumkehr zu bewirken. Weniger Personal, weniger Regeln und der verstärkte Einsatz moderner Technik lautet der Dreiklang, der hier eine Lösung bewirken soll.

In der Bundesverwaltung soll demnach grundsätzlich jeder mögliche Weg zum Personalabbau genutzt werden, insbesondere für die höheren Besoldungsgruppen der Bundesministerien. Allein die Stellen im höheren Dienst (B-Besoldung) sind seit 2013 um 45 Prozent gestiegen.

Bei der abgeschwächten Variante des Abbaus, bei der nur jede zweite frei werdende Stelle nicht wieder besetzt würde, läge der Rückgang bis 2030 bei 7,7 Prozent und bis 2040 bei 26,3 Prozent. Weil in verschiedenen Bereichen, wie in der Verteidigung und der inneren Sicherheit, der Personalbedarf steigen wird, werden manche beim Abbau vorangehen müssen. Koch denkt dabei besonders an das Kanzleramt.

Sein Fazit: „Wer vermeiden will, dass die Frustration der Bürger über einen ineffizienten und teuren Staat zu radikaler Ablehnung führt – wie wir das in den USA sehen können –, muss bereit und fähig sein, in kurzer Zeit eine Trendwende herbeizuführen. Das ist anstrengend, konfliktreich – aber nicht unmöglich.“

Es ist darum jetzt bestimmt nicht Vintage, darauf zu achten, was aus Kochs Thema in der kommenden Zeit wird. Und was aus ihm selbst.

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