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Meinung: Ein Menetekel namens Hohmann

Indem Angela Merkel die Debatte unterbindet, zeigt sie Angst vor der Wahrheit

Von Gerd Appenzeller

Für Christoph Böhr, den stellvertretenden CDUBundesvorsitzenden ist die Debatte über seinen Parteifreund Martin Hohmann beendet. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis meint, jetzt müsse endlich Schluss sein mit den Angriffen auf Hohmann. Und Angela Merkel hat der Unionsfraktion so deutlich signalisiert, sie wünsche keine weitere Diskussion über das Thema, dass tatsächlich kein Abgeordneter nachzufragen wagte. Was ist da passiert? Schließlich läuft die öffentliche Auseinandersetzung über Martin Hohmanns Rede zum Nationalfeiertag ja nicht schon seit Wochen so hochtourig, dass wirklich alles gesagt wäre. Und es gibt ja andere Stimmen in der CDU, etwa den nordrhein-westfälischen Parteichef Jürgen Rüttgers oder den Europa-Abgeordneten Elmar Brok, die finden, jemand wie Hohmann habe in der CDU nichts zu suchen.

Ja, es steckt etwas anderes dahinter. Was Martin Hohmann gesagt hat, steht nicht für Hohmann allein. Sein Name ist wie ein Menetekel. Menetekel? Ja. Das alttestamentarische Bild der unheildrohenden Prophezeiung vom Untergang des babylonischen Königs Belsazar passt – und der Sinnspruch, der sich von diesem Orakel ableitet: Gewogen und zu leicht befunden. Denn, nicht wahr, Angela Merkel hat ja die weitere Debatte über Martin Hohmann in der Fraktionssitzung nicht etwa ausgebremst, weil sie Kritik am Nachfolger des Nationalkonservativen Alfred Dregger fürchtete. Nein, die Partei- und Fraktionsvorsitzende spürt, dass Hohmann mit seinen Ansichten in der Union nicht alleine steht. Sie ahnt wohl auch, dass die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Ausschluss des Abgeordneten aus der Fraktion nicht zustande käme. Und wenn sie dies ahnt und spürt, wird sich bei ihr zur Gewissheit verdichten, dass ein nicht unerheblicher Teil der potenziellen CDU-Wählerschaft Martin Hohmanns Thesen vom 3. Oktober nicht unsympathisch findet. Deshalb sind Hohmanns Rede und sein Name ein Menetekel, das sagt: Wenn die CDU/CSU sich mit diesen ungerufenen Geistern nicht auseinander setzt, werden diese Geister die Union, diese große Volkspartei der Mitte, verändern.

Martin Hohmann, so wird uns bedeutet, sei kein Antisemit – wenn auch der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz dessen Rede zum deutschen Nationalfeiertag für die „erste geschlossene antisemitische Rede“ in der Geschichte der Bundesrepublik hält. Fügen wir hinzu: die erste Rede, die der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Hohmann versteht sich, erfahren wir aus seinem Umfeld, als christlicher Fundamentalist, der den Verfall der christlichen Werteordnung für eine Ursache der kommunistischen und nationalsozialistischen Exzesse hält.

Dem mag man, als eine der Ursachen, zustimmen. Die Tatsache, dass es neben dem Christentum durchaus andere sittliche Werteordnungen gibt, die den Abfall in die Barbarei verhindern, wird dabei völlig ausgeblendet. Diese Einengung des Denkens aber ist für alle Fundamentalisten typisch, eben auch für die christlichen. Zum bekennenden Antisemiten wird der Amateurhistoriker Hohmann in dem Moment, in dem er seine Verdächtigungen vor allem auf Juden konzentriert.

Dafür, dass hinter solchem Denken mehr steckt als ein einzelner Querkopf, spricht auch die von Nationalkonservativen immer wieder erwähnte These von der angeblichen Tabuisierung jeglicher Kritik an Israel. Dieses vermeintliche Rede-, Schreib- und Denkverbot, das es effektiv nicht gibt, wird als Beleg für das gebrochene Selbstbewusstsein der Deutschen gewertet. Frau Merkel müsste wissen, dass dies alles dummes Zeug ist. Der nette Herr Hohmann hat ein gefährliches Weltbild, und er steht nicht alleine. Wenn die Parteivorsitzende sich wegduckt, behält sie eine Wählergruppe – und setzt den Wertekatalog der Union aufs Spiel.

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