Meinung: Ein Museum, keine Exponate?
Ist das nur ein lautstarker Divenkrieg unter Berlins mächtigen Kunst- und Museumsfürsten? Nein, sollte der Sammler Erich Marx seine Kollektion tatsächlich aus dem Hamburger Bahnhof abziehen, wäre das ein immenser Verlust für die Stadt.
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Ist das nur ein lautstarker Divenkrieg unter Berlins mächtigen Kunst- und Museumsfürsten? Nein, sollte der Sammler Erich Marx seine Kollektion tatsächlich aus dem Hamburger Bahnhof abziehen, wäre das ein immenser Verlust für die Stadt. Und selbst wenn sich die Streithähne einigen, ist mit dem Krach ein Dilemma offen gelegt, das so schnell kaum lösbar ist, egal ob mit oder ohne Sammlung Marx.
Zum einen kann Berlin sich den Verlust von Warhol- oder Beuys-Werken so wenig leisten wie die Schließung eines Opernhauses. Denn Berlin – ja, man muss es gebetsmühlenartig wiederholen – hat vor allem dieses Pfund: Kunst und Kultur in Hülle und Fülle. Aber statt die Schätze zu pflegen, leistet sich die Stadt neben dem schwelenden Opernstreit auch noch eine Kunstfehde. Und das, obwohl kulturliebende Globetrotter beim Stichwort Berlin inzwischen nicht nur an Pergamonmuseum und Nofretete denken, sondern genauso an die vitale Galerienszene rund um die Auguststraße, an den regen Zustrom nationaler und internationaler Künstler. Längst gilt die Szene als so hip und cool und bedeutend wie die von London oder New York. Aber: Berlin leistet sich nicht nur keine Kunsthalle für Ausstellungen lebender Künstler, die Stadt riskiert nun auch, dass zwischen der Kunst von morgen und der von gestern eine empfindliche Lücke klafft. Ein Museum der Gegenwartskunst ohne Gegenwartskunst: Der Anblick wäre erbärmlich.
Zum anderen grenzt die Sache an Erpressung. Die schwerreiche, bettelarme Kunststadt Berlin behilft sich bei der Klassischen Moderne und dem Zeitgenössischen mit privaten Sammlungen. Aber nicht alle Sammler sind der Stadt so verbunden, wie es Heinz Berggruen war. Also gibt sich Berlin generös: Ganze Institutionen wurden um Privatsammlungen herumkonstruiert, siehe den Hamburger Bahnhof mit der Sammlung Marx. Ein Museum mit Geburtsfehler: Da lief von Anfang an etwas falsch. Die Folge: Devotheit, Gefallsucht, Willkür, Abhängigkeit. Nun werden die Staatlichen Museen erneut um Erich Marx buhlen – müssen. Es sei denn, Berlin begreift dessen Drohung als Chance. Für Selbstbewusstsein in Sachen Gegenwartskunst – und deren überfällige, institutionalisierte und öffentlich finanzierte Verortung in der Stadt.
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