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Flüchtlingsunterkunft für 1152 Personen in Hannover.

© IMAGO/Bernd Günther

Flüchtlingsdebatte in Lörrach: Wenn Ohnmacht blitzschnell in Protest umschlägt

Die Stadt Lörrach wollte weder Hallen belegen noch Container aufstellen. Was sie stattdessen für Geflüchtete plant, verursacht Aufregung. Es fehlt an politischem Fingerspitzengefühl.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Wirkung der Schlagzeile ist verheerend: „In der Stadt Lörrach wird 40 Mietern gekündigt, um Platz zu schaffen für hundert Flüchtlinge.“ Das rührt an Urängste vor Verdrängung und Vertreibung. Was denn noch? Sollen Deutsche demnächst zur privaten Aufnahme von Schutzsuchenden zwangsverpflichtet werden?

In der Folge der allgemeinen Erregung werden womöglich schnell Forderungen laut – nach mehr Ausweisungen abgelehnter Asylbewerber, nach einem weiteren Flüchtlingsgipfel, diesmal mit dem Bundeskanzler, der das Thema zur Chefsache machen soll, und nach höheren finanziellen Leistungen des Bundes an Städte und Gemeinden.

Schließlich tragen sie die Hauptlast der Unterbringung von Asylbewerbern und ukrainischen Kriegsflüchtlingen.

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Weitere Informationen könnten den Empörungswillen freilich dämpfen. Etwa dass die Wohnungen, die in den 50er-Jahren gebaut worden waren, marode und nicht mehr sanierungsfähig sind und ohnehin in naher Zukunft hätten abgerissen werden sollen.

Dass den Mietern modernere und bezahlbare Wohnraumangebote gemacht und Umzugskosten bis zu einer bestimmten Höhe übernommen werden. Dass die Stadt darauf bedacht war, möglichst keine Hallen belegen oder Container aufstellen zu müssen.

Denn bei aller Wut über die angespannte Lage und dem Gefühl, die Kapazitätsgrenzen der Flüchtlingsaufnahme vielerorts überschritten zu haben: Wo sollen die Menschen hin?

Ein Großteil von ihnen ist Opfer des russischen Krieges gegen die Ukraine. Ihre Verzweiflung ist weitaus größer als jene, die in den Plänen der Stadt Lörrach zum Ausdruck kommt.

Daher lehrt die Kontroverse vor allem, wie notwendig bei diesem Thema politisches Fingerspitzengefühl und frühzeitige Kommunikation sind. Betroffene dürfen nicht erst aus der Post von Plänen erfahren, die Grundfeste ihrer Existenz berühren. Sie müssen eingebunden und überzeugt werden, Einwände und Widerspruch artikulieren können.

Wenn der Verdacht entsteht, es seien vollendete Tatsachen geschaffen worden, wird aus Ohnmacht schnell Protest.

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