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Platzeck und die Einheit: Ende der Aufklärung

Matthias Platzeck hat einmal eine Leistung vollbracht, die ihn bis heute abhebt von anderen Politikern: Im Bundestags- und Landtagswahlkampf im Jahr 2004 hat er dem Volk – zusammen mit seinem Arbeitsminister Günter Baaske – auf Brandenburgs Plätzen gegen alle Schmähungen Gerhard Schröders Hartz-IV-Gesetze erklärt. Er hat sich gestellt und überzeugt und aufgeklärt – und für die SPD gewonnen.

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Matthias Platzeck hat einmal eine Leistung vollbracht, die ihn bis heute abhebt von anderen Politikern: Im Bundestags- und Landtagswahlkampf im Jahr 2004 hat er dem Volk – zusammen mit seinem Arbeitsminister Günter Baaske – auf Brandenburgs Plätzen gegen alle Schmähungen Gerhard Schröders Hartz-IV-Gesetze erklärt. Er hat sich gestellt und überzeugt und aufgeklärt – und für die SPD gewonnen. Doch dieser Mut und der Wille zur Aufklärung scheinen verflogen. In der Debatte um eine Länderehe mit Berlin versteckt sich Brandenburgs Regierungschef beharrlich hinter Volkes Ablehnung, statt bei ihm zu werben und es aufzuklären. In der Debatte um die Wiedervereinigung verfährt er ebenso.

Im Vorjahr, pünktlich zum 20. Wende-Jubiläum, diagnostizierte er im „Spiegel“ einen Riss quer durch die ostdeutsche Gesellschaft und rief zur Versöhnung auf – mit angeblich Ausgegrenzten, den Eliten von einst. Im aktuellen „Spiegel“-Interview nun zitiert er „Gefühle“ der Ostdeutschen und suggeriert 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nebenbei, dass es im Jahr 1990 eine Tür zum ominösen Dritten Weg, dem langsamen Ausweg für die verrottete DDR gegeben habe. Sein modernes Brandenburg, den aufgebauten Osten preist er dagegen kaum. Und dem Westen fällt in dieser seltsam larmoyanten Rückschau unweigerlich die schlechtere Rolle zu: Platzeck attestiert ihm eine „Anschlusshaltung“ (1938: Österreich angeschlossen; 1990: DDR beigetreten!). Daraus resultierten viele Verwerfungen im Osten. Im Westen erfüllt Platzeck damit nur das Klischee vom Nörgel-Ossi. Das muss ihn nicht stören. Aber kann ihm ein Unter-30-jähriger „Ostdeutscher“ da wirklich noch folgen?

Hatte sich Platzeck landespolitisch von seinem Amtsvorgänger gelöst – in deutsch-deutschen Fragen wirkt er wie der legitime Erbe Manfred Stolpes. Der hatte den Brandenburgern nicht ohne Erfolg und durchaus identitätsstiftend suggeriert, das Böse käme von außen in die Mark Brandenburg – also vorwiegend aus dem Westen. Jede Kritik an Einzelnem und am Einzelnen wurde – ganz DDR-typisch – in Kritik am Ganzen und am Kollektiv umgerubelt.

Nein, auch Platzeck klärt nicht mehr auf; jedenfalls nicht diejenigen Ostdeutschen, auf die er sich zunehmend beruft. Den Westen leider auch nicht. Sein Blick zurück lässt ihn alt aussehen – und wirken, wie er nicht war: unaufgeklärt, überholt. Er könnte es besser wissen. Nur: Kann oder will er es noch besser?

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